Alle Artikel in: Redaktionskonferenz II Wahlen 2017, „Jede Stimme zählt“

Auf ein Gespräch mit den NutzerInnen

Wie können Zeitungen Hassern und Extremisten begegnen und eine offene Gesprächskultur im Netz etablieren? Carline Mohr, Chefin vom Dienst Audience Development Spiegel Online, und Marcel Wolber, Leiter digitale Inhalte und Produkte des Bonner General-Anzeigers, haben von ihren Erfahrungen berichtet und Tipps gegeben. Ein erster Schritt müsse nach Meinung Carline Mohrs sein, dass sich jedes Medienhaus die grundsätzliche Frage stellen muss, wie weit es die Meinungsfreiheit fasst. Wo hat sie ihre Grenzen? Was soll gelöscht, was kommentiert werden? Was wird an die Rechtsabteilung weitergeleitet? „All diese Fragen sollten zu Beginn anhand von Beispielen geklärt werden. Jedes Medienhaus sollte sich dafür ausgiebig  Zeit nehmen“, plädiert Mohr. Auch Marcel Wolber betont die Wichtigkeit eines solchen Leitfadens: „An diesem können sich alle MitarbeiterInnen orientieren und niemand steht alleine mit den Problemen dar.“ In diesem Zusammenhang weisen beide zudem darauf hin, dass es bisher eigentlich immer gut ankam, wenn sie ihre Arbeit transparent machen und öffentlich darlegen, warum sie wie handeln. Auch dafür sei der angesprochene Leitfaden eine wichtige Grundlage. Darüber hinaus betont Wolber wie Mohr, dass es ihrer Meinung …

Wo geht’s hin Mediensystem?

Dr. André Haller vom Institut für Kommunikationswissenschaft Bamberg ist in seinem Vortrag der Frage nachgegangen, warum und inwiefern sich die LeserInnen zu extremen Positionen hingezogen fühlen oder selbst extreme Positionen vertreten. Und er brachte sechs Thesen mit, die Diskussionsstoff liefern. Haller weist zunächst auf eine Interview-Studie aus Schweden hin, in der die ProduzentInnen von „Alternativmedien“ untersucht wurden. „Unabhängig von der politischen Einstellung – es war das gesamte politische Spektrum vertreten – haben die Befragten angegeben, dass sie sich von den klassischen Medien nicht repräsentiert fühlen“, erklärt Haller. Das Internet führte zur Entstehung neuer Diskursräume, auch und gerade für extreme politische Orientierungen (Bernsand, 2013) In einem nächsten Schritt macht Haller deutlich, dass es natürlich Effekte habe, wenn sich Menschen „Alternativmedien“ zuwenden. Mögliche Ausprägungen sind: Selektive Auswahl: Informationen, die mit eigenen Einstellungen konsistent sind, werden bevorzugt Selektive Interpretation: Inkonsistente Informationen werden umgedeutet Selektive Erinnerung: Aussagen, die kognitives Ungleichgewicht herstellen, werden weniger im Gedächtnis behalten Es stellt sich also die Frage, ob von einem Zerfall der gemeinsamen Öffentlichkeit gesprochen werden kann. Laut Haller sei in jedem Fall festzustellen, …

Lass das mal die Jungen machen

Volontierende der Volksstimme (Magdeburg) haben zur Landtagswahl 2016 in Sachsen-Anhalt das Projekt  „Triff Deine Wahl“ ins Leben gerufen. Ein Angebot speziell für junge LeserInnen. Wir haben mit Katharina Buchholz, damals Volontärin und Projektleiterin, gesprochen. Katharina, wie ist das Projekt „Triff Deine Wahl“ entstanden? Jeder Volojahrgang hat sein eigenes Projekt und da die Landtagswahl vor der Tür stand, war relativ schnell die Idee geboren, dass wir Volos diese mit einem Social-Media-Projekt begleiten. Der Gedanke dahinter war auch, dass wir Jungen so die Chance bekommen, uns mit dem Thema Landespolitik auseinanderzusetzen. Sonst sind Interviews mit den SpitzenkandidatInnen etc. ja eher den „Älteren“ vorbehalten. Wie sah eure Umsetzung genau aus? Wir haben einen eigenen Account auf Facebook und Twitter gehabt. Da wir aber auch einen Rücklauf auf die Webseite der Volksstimme haben wollten, haben wir die Jugendseite, die es ohnehin gibt, einmal in der Woche komplett mit Wahlthemen bespielt. Wir sind dann auch noch einen Schritt weitergegangen und haben ein Online-Dossier mit eigenem Shortlink angelegt. Das Tolle daran war, dass wir hier gestalterische Freiheiten hatten, zum Beispiel eine …

Alles anders?

Manchen drängt sich angesichts der letzten Entwicklungen in der deutschen Parteienlandschaft der Eindruck auf, dass es – gerade auch durch das Aufkommen der AfD – zu einer „Kontinentalverschiebung“ gekommen ist. Prof. Dr. Everhard Holtmann, Forschungsdirektor des Zentrums für Sozialforschung Halle, geht der Begriff „Kontinentalverschiebung“ in diesem Zusammenhang jedoch zu weit. Er spricht stattdessen von einer „neuen Akteurskonstellation“ in der Parteienlandschaft, denn seiner Meinung nach sollte man die Veränderungen mit einem „nüchternen Blick“ betrachten und dabei vergangene Entwicklungen nicht vergessen. So weist er darauf hin, dass es in der bundesdeutschen Geschichte mehr als einmal Situationen gab, in denen sich das Parteiensystem merklich gewandelt hat. In den 80er-Jahren kamen die Grünen hinzu, nach der Wiedervereinigung die Linke. „Seitdem steht immer wieder die Frage im Raum, ob es ein Sechs-Parteien-System geben wird oder nicht“, sagt Holtmann. Diese sei bis heute noch nicht abschließend geklärt. „Das bundesdeutsche Parteiensystem hat bisher eine enorme Integrationsfähigkeit bewiesen. Die Frage ist natürlich, ob das mit der AfD so bleibt“, betont Holtmann. Der Sozialforscher versucht im Folgenden darzulegen, wie sich das Aufkommen und der …

Wer, wie, was – der, die, das

Wäre Gerhart Baum Arzt, würde er Deutschland vielleicht Hypochondrie attestieren. So scheint der Bundesinnenminister a. D. doch zumindest verwundert zu sein, dass in der deutschen Gesellschaft eine Atmosphäre der Angst um sich geht. „Wir leben in einem relativ sicheren Land. Und dennoch verlieren wir permanent die Fassung“, konstatiert Gerhart Baum zu Beginn des Kaminabends. So werde nicht nur die Terrorismusangst immer wieder instrumentalisiert, „die Angst greift grundsätzlich um sich – gegen das Fremde, gegen Minderheiten.“ Seiner Meinung nach müssten sich vor allem die JournalistInnen und PolitikerInnen zunehmend die Frage stellen, wie die Ängste moderiert werden können. Ein Schritt, um dieser Atmosphäre entgegenzuwirken, liegt nach Ansicht Baums darin, Dinge zu erklären. „Und zwar immer wieder! Wir müssen erklären, warum es Religionsfreiheit gibt, warum diese wichtig ist. Wir müssen erklären, warum wir Europa brauchen.“ Die jetzige Situation sei eine Art Zeitenwende. Vieles, was Baum als sicher geglaubt habe, sei es nicht mehr. Er führt als Beispiel Europa an: „Ich dachte immer, dass Europa alternativlos sei. Und nun sehen Sie sich nur die Rückbesinnung auf den Nationalstaat an.“ …