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Ein Gespür dafür haben, wo etwas faul ist – Recherche im Lokalen

Christine Kröger

Christine Kröger, Weser-Kurier

Gute Recherche ist ein Qualitätsmerkmal, das Zeitungen auszeichnet. Recherchieren aber will gelernt sein. Fünf Fragen an Christine Kröger, die beim Weser-Kurier aus Bremen die Redaktion Ausbildung und Recherche leitet.

Welchen Stellenwert sollte denn die Recherche bei der Ausbildung von Volontären haben?

Man kann ihn nicht hoch genug ansetzen. Recherche heißt ja nicht nur investigative Recherche. Man benötigt Recherche-Techniken zum Beispiel auch für eine Reportage. Selbst bei einem Interview sollte ich vorher recherchieren, damit ich eine überraschende Frage stellen kann.

Zur Recherche gehört, dass man keine Scheu hat und sich mit Leuten sprechen traut. Wie vermitteln Sie das in der Ausbildung?

Da ist von der Persönlichkeit abhängig. Es gibt junge Leute, die fast zu burschikos an die Sache rangehen und meinen: Klar, da rufe ich mal den Bundespräsidenten an! Und umgekehrt gibt es welche, die sich nicht trauen, den Oberbürgermeister zu befragen. Unter anderem machen wir ja deshalb diese Ausbildung.

Recherchieren junge Journalisten anders als altgediente?

Es mag Unterschiede geben. Wichtig ist der Austausch untereinander. Die Älteren könnten von den Jungen lernen, wie man neue Quellen, etwa Online-Quellen nutzt, die Jungen könnten lernen, dass das Internet eine virtuelle Welt ist und nicht die Realität. Sie glauben gar nicht, wie die Jüngeren darauf reagieren, wenn man ihnen zum Beispiel sagt: Das Handelsregister, das dürft ihr einsehen. Hier kann man nachlesen, wem diese oder jene Firma wirklich gehört etc. Das stößt auf sehr fruchtbaren Boden.

Ist die Recherche mit all ihrem Aufwand nicht ein Luxus fürs Lokale?

Leider wird das von vielen so gesehen. Ich halte das für einen grundlegenden Irrtum. Wenn Zeitungen das betonen wollen, was sie können, dann müssen sie noch viel mehr auf Recherche setzen, denn sie haben die lokale Kompetenz – und nicht der eingeflogene Reporter eines großen Nachrichtenmagazins. Viele Kollegen sehen auch die Themen und hätten ein Gespür dafür, wo etwas faul ist, aber sie haben einfach nicht die Zeit zu recherchieren. Deshalb ist es wichtig, Kapazitäten freizuschaufeln. Das passiert in vielen Verlagen bereits, etwa durch die Schaffung neuer Strukturen, Newsdesks etc.

Ist Recherche im Lokalen nicht ein heikles Unterfangen aufgrund der Nähe der Vorort besteht: zur ortsansässigen Firma, zu Politikern, Pressesprechern?

Man sollte nicht gleich auf die Gefahren blicken, sondern den großen Vorteil sehen. Die Lokalzeitungen haben die lokale Kompetenz. Sie haben die Handy-Nummern von den Leuten, die etwas wissen könnten. Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Nichtsdestotrotz besteht die Gefahr durch die Nähe. Aber durch fundierte Recherche erwerbe ich mir als Journalist auch einen gewissen Ruf. Wenn man gut und kritisch berichtet, wird man von offiziellen Stellen ernster genommen. Da kann es passieren, dass plötzlich der Minister selbst anruft und nicht mehr nur sein Pressesprecher.