Modellseminar Kommunalpolitik 2014

„Investigative Recherche ist eine sehr persönliche Kiste“

Das Rechercheschwergewicht David Schraven ist heute in Gummersbach zu Gast und führt uns mit trockenem Humor durch seine Geschichten. Angekündigt ist sein Vortrag mit „Tote Briefkästen im Netz und konspirative Treffen: neue Recherchewege“. Von toten Briefkästen kann keine Rede sein, zwischen 10 und 80 „Briefe“ flattern jede Woche in Schravens anonyme Briefkästen. „Ich rate jedem so einen Briefkasten einzurichten“, sagt der ehemalige Leiter des Ressorts Recherche der WAZ (heute Funke-Gruppe). „Besonders im Lokaljournalismus kann man mit relativ wenigen Schrauben große Sprünge machen.“

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Zielloses Fischen vs. Zielfischen

Die anonymen Briefkästen teilt Schraven in zwei Kategorien ein. Mit dem einen „fischt man ziellos“ – wie etwa jener, den er für die WAZ aufgebaut hat. „Bei dem bekommt man Geschichten aus allen Ebenen – Stadtteilgeschichten bis hin zu großen Geschichten.“ Beim „Zielfischen“ wird ein bestimmtes Thema vorgegeben, wie zum Beispiel die Website Doping im Fußball. „Bei der Seite haben wir etwas getrickst, so dass – wenn man in Deutschland bei Google den Suchbegriff „Fußball und Doping“ eingibt – immer unsere Seite als erste kommt,“ erzählt Schraven. Das hat sich bewährt: Mittlerweile verteilen sich die Informanten auf ganz Europa.

„Es ist nie einfach nur ein Briefkasten, sondern ein Rechercheinstrument.“ Ein Rechercheinstrument, das man laut Schraven ständig pflegen und auch befüllen muss, um beispielsweise zögernde Informanten zu überzeugen. „Man muss die Leute heiß drauf machen, dass sie mit einem reden.“ Und ihnen natürlich den besten Schutz wie möglich bieten: „Ich verschleiere meine Quellen, häufig sogar die Herkunft der Quellen“, sagt Schraven. Die Menschen vor sich selbst schützen, könne er aber nicht, wie etwa einen Informanten, der sich nach der Veröffentlichung einer Geschichte über die Absprachen von Stahlmagnaten selbst der Polizei stellte.

Fearless Schraven

Bedroht wurde Schraven trotz seiner heißen Geschichten wie etwa über die Mafianetzwerke noch nicht. „Wir leben ja immer noch in Deutschland.“ Brenzlig wurde es nur, als er im Neonazi-Milieu recherchierte. „Da bekam ich mal einen Drohbrief nach Hause geschickt, womit sie zeigen wollten, das sie wissen, wo ich wohne. Ich weiß aber auch, wo die wohnen“, grinst er. Die Neonazi-Geschichte soll im Herbst erscheinen.

Über den Umgang mit Informanten hat netzwerk recherche ein Handbuch herausgegeben.