Folo 2012

Kentern ist Mist

Das letzte Podium des Forums Foto IE

Das letzte Podium des Forums Foto IE

Auf dem Abschlusspodium „Global lokal: Wie Lokalzeitung wieder zur Debattenplattform wird“ wurde darüber diskutiert, ob sich Zeitungen direkt in politische Streitfragen einmischen sollten.

Eine wichtige Frage also zum Abschluss des 20. Forum Lokaljournalismus. Auf dem Podium kamen zusammen: Uwe Ralf Heer, Chefredakteur der Heilbronner Stimme, Johannes Huber, stellvertretender Chefredakteur Vorarlberger Nachricht, Nick Reimer, Journalist und Autor, Klimaretter.info, Sebastian Nerz, Vorsitzender Piratenpartei, Klaus Wirth, Bürgermeister Gemeinde Schiffdorf.Die Vorarlberger Nachrichten haben kurz nach der Katastrophe in Fukushima Unterschriften gegen Atomkraft gesammelt. 90.000 Menschen unterschrieben: ein Viertel der Wohnbevölkerung von Vorarlberg. Was hält man auf dem Podium von solchen Aktionen? Soll die Zeitung selbst aktiv Position beziehen?

Die Thesen

Uwe Ralf Heer warnte davor, vom Beobachter zum Mitspieler zu werden und sich auf eine Seite zu schlagen. Seiner Meinung nach müsse eher eine Debattenkultur angestoßen werden.

Sebastian Nerz sagte, man könne sich vor einer Debatte nicht verschließen. Aber auch er glaubt, dass eine Zeitung nicht auf diese Art Stellung beziehen solle. Bericht und Meinung müssten getrennt bleiben. Die Beziehung von digitaler und analoger Welt würde falsch eingeschätzt. Diese Trennung sei nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr „real existent“.

Klaus Wirth fand es wichtig, dass bei komplexen Themen Politikern die Gelegenheit gegeben wird, ihre Sicht auf die schwierigen Sachverhalte darzulegen.

Nick Reimer gehen 80-Zeilen-Berichte nicht tief genug. Man müsse stärker klarmachen, was Journalismus in dieser Gesellschaft leiste, sagte er. Es gebe im Netz „unendlich viel Schrott“.

Johannes Huber meinte, der Leser spüre ob eine Zeitung gut sei. Die Vorarlberger Nachrichten besetzten zum Beispiel keine Pressekonferenzen mehr. Sie wollten selbst bestimmen, was für sie ein Thema sei. Eine Zeitung dürfe auch kein Online-Dienst werden. Das Handy sei ein Live-Ticker „ohne irgend eine Gewichtung“. Ein guter Journalist sitze nicht in der Redaktion.

Zur Lage des Lokaljournalismus

Heer wehrte sich darüberhinaus gegen die These, das vergangene Jahrzehnt sei ein verlorenes für den journalistischen Nachwuchs im Lokaljournalismus, wie es am Vormittag auf dem ersten Podium vom Blogger Richard Gutjahr nahegelegt worden war. Dies sei ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich tagtäglich Mühe geben und den Lokaljournalismus verbessern. Seinen Mitarbeitern rät Heer, ein Mal in der Woche den „Demenz-Test“ zu machen und zu überprüfen, welche drei Artikel aus der vergangenen Woche im Gedächtnis haften geblieben seien. Wenn keiner in Erinnerung sei, habe man eine schlechte Zeitung gemacht.

Was tun?

Klaus Wirth sagte aus der Sicht eines Bürgermeisters, die Sache der Zeitung müsse es sein, nahe am Kunden zu sein.

Sebastian Nerz betonte, wie wichtig offene Diskussionen seien und dass die Menschen sich in die Diskussionen einbringen können. Die Zeitung müsse einen vertiefenden Blick auf die Nachrichten anbieten.

Nick Reimer betonte, dass die Grundlage des Journalismus das Wort sei – und nicht die Kanäle. Das Wort müsse den Sachverhalt klar machen. Die Sprache müsse geschärft werden.

Uwe Ralf Heer zeigte sich schließlich optimistisch: „Wenn Lokalzeitungen Qualität, Exklusivität, Aktualität und Regionalität bieten, muss einem nicht bange sein.“

Für Johannes Huber bestehe die große Herausforderung darin, die Kondition zu bewahren, die neuen Medien zu nützen und die Kompetenz zu zeigen, das entscheidende Thema aus dieser Flut herauszugreifen.

Fazit

Die Ehrenrettung des Lokaljournalismus, wie sie etwa Uwe Ralf Heer vorgetragen hat, kam im Saal gut an. Vielleicht war es wichtig, diese einfache Erkenntnis trotz der Debatten über das Internet und die Krise des Journalismus einmal auszusprechen: Der Lokaljournalismus ist viel besser geworden in den vergangenen Jahren, es hat sich einiges zum Guten verändert.

Berthold L. Flöper, der Leiter des Lokaljournalistenprogramms der bpb, brachte es in seinem Schlusswort auf den Punkt: „Kentern ist Mist“.