Folo 2012

Mit Digital Only der Beste der Welt werden

Clark Gilbert von Deseret News

Clark Gilbert von Deseret News

Zum Abschluss des zweiten Forumstages gab es eine Videokonferenz mit Dr. Clark Gilbert von Deseret News, der am stärksten wachsenden Digitalzeitung in den USA. Er nannte zwei entscheidende Kriterien für den Erfolg seines Unternehmens und stellte den herkömmlichen Umgang mit dem Medienwandel von Grund auf infrage.

Gilbert ist President und CEO of the Desert News Publishing Company und Deseret Digital Media, USA. Deseret News wächst und wächst, Umsatz und Gewinn steigen seit drei Jahren stetig. Was ist das Erfolgsmodell?

Gilbert hat in seiner Zeit in Harvard untersucht, wie sich Zeitungsindustrie veränderte. Das Verhältnis zwischen dem technologischen Prozess und dem, was Leser wünschen, interessierte ihn. Er kam einem Phänomen auf die Spur, das er „zerstörerische Innovation“ nannte. Diese habe seiner Meinung nach etwa 1996 eingesetzt, mit dem Aufkommen des Internets. Von nun an sei das bekannte Geschäftsmodell, der Anzeigenmarkt in Zeitungen, vermehrt infrage gestellt und angegriffen worden. Die Zeitungswelt aber habe einen strategischen Fehler gemacht: Man habe versucht, sich gegen den Angriff des Internets zu wehren, statt die Chancen zu nutzen, die es bot. „Die Zeitungsindustrie hat im Internet viel zu verlieren und hat deshalb immer versucht, den Verlust zu begrenzen, anstatt zu versuchen, bei Null anzufangen und viel zu gewinnen.“ Wenn man ihm sage, man brauche neue Ideen, antworte er: Die Ideen sind schon da, aber es sind andere, die sie ausführen. Dazu trug Gilbert zwei Thesen vor.

1. Investieren, wo man der Beste der Welt wird

Gilbert bezieht sich auf die Gründerin von PlaceBlogger, Lisa Williams, die den Unterschied zwischen Netz und Zeitung so definierte: Im Netz gibt es alles über etwas zu lesen – in der Zeitung etwas über alles.

Was folgt Gilbert daraus? Er versuchte zunächst herauszufinden, welche Werte die Leser teilen, wie z.B. Familie, Glaube, finanzielle Sicherheit etc. In einer Umfrage sagten die Befragten, dass sie Nachrichten, die sich nach diesen Werten orientieren, nirgends lesen könnten. Für Gilbert war klar, dass er da investieren will, wo er es (auch seinen eigenen Werten nach, er ist Mormone) für richtig hält. Da, wo seine Zeitung die beste der Welt werden könne. „Wenn Sie alles für alle machen wollen, werden sie verlieren. Konzentrieren Sie sich auf Ihr Gebiet, werden Sie wachsen.“

2. Digital Only, not Digital First

„Digital zuerst“ nehme an, dass der Inhalt der Website nach wie vor aus dem traditionellen Raum komme. Die Generierung des Inhalts aber habe sich verändert. Innovative Zeitungsseiten, die sich auf rein digitalen Inhalt konzentrierten, hätten heute die größte Reichweite.

Woher stammen die Beiträge in Deseret News? Das Portal greift verstärkt auf Content zurück, der von Lesern bereitgestellt wird. Die klassische Redaktion liefert nur noch ein Drittel der Inhalte. Es gibt 2000 Deseret-Autoren, die meisten arbeiten kostenlos. Sie sitzen in 45 US- Staaten und in 15 Ländern der Welt. Es handele sich um freie Experten, die von Journalisten allerdings zur Mitarbeit motiviert werden müssten.

Wichtig sei auch die Verbindung zum lokalen Markt. „Digitale Käufer brauchen digitale Verkäufer“, sagt Gilbert. Durch die Nutzung aller Möglichkeiten der innovativen Werbung und des E-Commerce sinke die Abhängigkeit des Medienhauses vom traditionellen Printanzeigen-Verkauf, während es großes Wachstum etwa im Telefonverkauf gebe.

Eine Herausforderung für Deseret News sei noch immer die Schwerkraft der gedruckten Zeitung. „Gedruckte Zeitung zählen noch immer“, sagt Gilbert. Der Versuch, etwas über alles zu machen, herrsche noch immer vor. Die Vorbilder von Deseret News aber seien Portale wie die Huffington Post, the Atlantic oder boston.com zum Beispiel.

Gilberts Thesen stellen das herkömmliche Zeitungsmodell und den bisherigen Umgang mit dem Medienwandel von Grund auf in Frage. Es drängte sich allerdings während des Videostreams der Verdacht auf, dass der Erfolg von Deseret News eng mit der spezifischen Situation in den USA verknüpft ist. Völlig problemlos dürfte sich das Modell nicht auf europäische oder deutsche Verhältnisse übertragen lassen.