Folo 2014

Scribble Live, Tumblr und Co.

Holger Schellkopf, Joachim Braun, Jens Nähler und Horst Seidenfaden (v.l.n.r.)

Holger Schellkopf, Joachim Braun, Jens Nähler und Horst Seidenfaden (v.l.n.r.)

Um neue digitale Erzählformen ging es auf dem Panel „Technik im Fokus – Antworten der Gipfelstürmer“.  Welche Tools lassen sich für multimediales Erzählen verwenden? Wir sind sie zu handhaben und welche Erfahrungen wurden damit gemacht? Holger Schellkopf, stellvertretender Chefredakteur der Mittelbayerischen Zeitung, Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers, Horst Seidenfaden, Chefredakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen, und Jens Nähler, der dort das Ressort Online leitet, stellten Experimente aus ihren Zeitungshäusern vor. Moderator war Sascha Borowski, Leiter Online der Augsburger Allgemeinen.

 

Die Mittelbayerische Zeitung

 

Die Mittelbayerische Zeitung experimentiert zum Beispiel vermehrt mit Videos. Holger Schellkopf sagte: „Wir arbeiten mit langen Bewegtbildern, etwa zehnminütigen Dokufilmen.“ Dabei frage man sich immer: „Wie erzähle ich die Geschichte?“ Das werde schon bei der Planung mitgedacht. Ein anderes Beispiel sei der Liveticker, den sie immer häufiger benutzten – vor allem auch für lokale Ereignisse wie etwa beim Regensburger Jazz Weekend. Man tickere auch live aus Pressekonferenzen. In einem Fall habe man dabei 15.000 Visits erhalten, die Nutzungszeit betrage dabei zwischen acht und zwölf Minuten. „Das ist doch für eine Nachrichtenseite ganz gut“, meinte Schellkopf.

Unter anderem benutzt die Mittelbayerische Zeitung das Tool Scribble Live. „Wir könnten so ein CMS selbst nicht bauen“, sagte Schellkopf. „Und dass es einfach zu nutzen ist, ist ein wichtiger Aspekt. Die Einarbeitungszeit beträgt fünf Minuten.“ Schellkopf zeigte sich auch davon überzeugt, dass damit Geld zu verdienen sei.

Intensiv hat die Redaktion auch mit Storify gearbeitet, mit der Zeit hat man aber wieder Abstand davon genommen. „Der Beitrag wirkt dann immer wie ein Fremdkörper. Er lässt sich im Netz finden, ohne dass man auf unsere Seite gehen muss. Das ist der Nachteil von Storify.“

 

Der Nordbayerische Kurier

 

Auch die Bayreuther bloggen live. „Gerade hier können wir unsere Stärken ausspielen: schnelle Auffassungsgabe zum Beispiel“, erläuterte Chefredakteur Joachim Braun. Man nutze zum Beispiel Facebook, wobei man festgestellt habe, dass es Facebook-Nutzer nerve, wenn zu viele Postings erscheinen. Besser sei Scribble Live, weil das Tool in die eigene Homepage eingebunden sei. Die meisten Klickzahlen habe zum Beispiel ein Artikel erhalten, in dem spekuliert wurde, was auf einer von einem Unternehmen anberaumten Pressekonferenz verkündet werden würde. „Man kann damit Neugierde schaffen“, sagte Braun.

Natürlich müsse jeder Redakteur wissen, wie diese Tools funktionieren. Man habe auch ein neues, kanalneutrales CMS eingeführt. Dies hätten nicht alle Redakteure von vorneherein positiv aufgenommen. Um den höheren Aufwand auszugleichen, habe man zum Beispiel die Vereinsberichterstattung abgeschafft. „Man muss mit der Zeit gehen, um nicht mit der Zeit zu gehen., sagte Braun. Wichtig sei, dass die Führung der Redaktion das auch vorlebt.  „Man muss das machen, was die Leser auch machen, sonst verliert man sie.“ Momentan arbeite die Redaktion an einer multimedialen Geschichte über den Fall Gustl Mollath.

 

Hessische/ Niedersächsische Allgemeine

 

Jens Nähler und Horst Seidenfaden präsentierten das Projekt „Kassel Live“ der HNA. Ausgangspunkt war der Hessentag, der in Kassel stattfand. „Wir haben alles live berichtet, was dabei relevant war“, sagte Seidenfaden. Man habe im Schnitt 10.000 Leser am Tag gehabt. Nach diesem Erfolg habe man im Oktober „Kassel live“ begonnen. Dabei werde alles gepostet, was irgendwie von Bedeutung sei für die Stadt.  Das Ziel: Nachrichten aus Kassel schnell und knapp vermelden – und das in einem spannenden Mix aus bunten Themen.

„Wir wollten einen Nachrichtenstream auf unsere Seite bringen“, erläutert Nähler. Bei der Suche nach einem geeignetem Tool sei man auf Tumblr gestoßen. „Man  kann dort über eine einfach App auch von unterwegs auch posten“, führte er aus. „Relevant ist nicht, was wir Journalisten relevant empfinden, sondern was die Leser wollen“, sagte Nähler. Aber wie das Interesse der Leser messen?  „Man tastet sich langsam vor“, sagte Seidenfaden. Nähler erläuterte, dass man beobachte, ob Beiträge weiter gepostet würden und wie sie auf Facebook aufgenommen würden.  „Diese Appetithäppchen sollen den Leser auch zeigen, dass es die kompetente und umfassende Berichterstattung in der HNA gibt, erklärte Seidenfaden.“

„Kassel live“ ist jetzt vier Monate online, die Zahlen gingen „kontinuierlich nach oben“, wie Seidenfaden sagte. Ein Projekt im Sinne der Zeitungsphilosophie, die Seidenfaden so zum Ausdruck machte: „Der Redaktionsschluss ist nicht 18 Uhr 30, sondern minütlich.“

1 Kommentare

  1. „Intensiv hat die Redaktion auch mit Storify gearbeitet, mit der Zeit hat man aber wieder Abstand davon genommen. ‚Der Beitrag wirkt dann immer wie ein Fremdkörper. Er lässt sich im Netz finden, ohne dass man auf unsere Seite gehen muss. Das ist der Nachteil von Storify.'“
    – Nein, das ist nicht der Nachteil von Storify, sondern von klickgeilen Verlagen, die klickgeil sind, weil sie damit ihr Geld verdienen müssen. Im Grunde genommen dürfte dieser „Fremdkörper“ nicht als Nachteil empfunden werden, weil es ja um den Inhalt geht, der von der Redaktion kuratiert wurde, aber eben nicht unbedingt auf ihrer eigenen Webseite zu finden ist.

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