Markt, Mediennutzung, Modellseminar Web 2.0 2010, Vortrag

… und plötzlich macht der Leser selbst Zeitung

Christoph Linne stellt myheimat vor

Christoph Linne stellt myheimat vor (Foto: Dudeck)

Bürgerreporter sind nicht nur Konkurrenz, sie können gerade für die etablierten Journalisten auch eine Quelle sein. Insofern erscheint es wichtig, die Leser in die tägliche Arbeit stärker einzubinden.

Das sieht auch Christoph Linne, Chefredakteur der Oberhessischen Presse, so, der von einer „breiteren kreativen Basis“ spricht, die eine „lohnenswerte Ergänzung“ sein kann.

„Myheimat.de“ ist aus journalistischer Sicht ein Schleppnetz für Inhalte, aus Sicht der Bürgerreporter ist es ein Social Network.“ Themen aus der Print-Berichterstattung werden zurück ins Portal getragen … und können von dort wieder das Printprodukt befeuern. Dabei bleibt ein Bürgerportal auch eine „gute Bindung des Lesers an die Tageszeitung“.

Scheinbares Paradoxon? Eine Schwierigkeit ist, dass sich Leute eigentlich immer seltener melden – immer seltener anrufen, wenn ihnen ein (für die Zeitung) tolles Thema auffällt. Können Bürgerportale diese Lücke schließen? Möglicherweise…

Die Gießener Zeitung erscheint zweimal pro Woche. Das Konzept: Ausschließlich lokale Themen, Gießener schreiben für Gießener, enge Symbiose zwischen Bürgerreportern und Redakteuren. Als „Sprachrohr der Region“ und „Ergänzungsmedium“ ist die Gießener Zeitung zwischen der Tageszeitung und den Anzeigenblättern angesiedelt. Mit 4300 Bürger-Reportern besteht viel Potenzial, auch die Geschichten zu entdecken, die weniger „Augen“ möglicherweise entgehen…

Das Marketing-Instrument für die Gießener Zeitung ist das Produkt selbst… ein Marketing-Etat ist fast nicht vorhanden. Christoph Linne: „Wir sind anders..“ – ganz intensiv wird Social Media eingesetzt, mit Optiken im Zeitungslayout wird massiv gespielt. Das traditionelle Layout der Tageszeitung war schließlich immer auf Seriosität angelegt – zu seriös für unsere Zeit?

Das neue Mitmach-Prinizp schafft hohe Identität – und den Werbepartnern kann man klar machen, dass die Autoren gleichzeitig auch ihre Kunden sind. Da das Produkt insgesamt auf ein positives Image getrimmt ist, wird die Gießener Zeitung auch attraktiv für ihre Werbepartner. Kritischer Journalismus funktioniert trotzdem…

Der zweijährige Geburtstag der Gießener Zeitung zeigt: Es scheint einen Bedarf gegeben zu haben… „Endlich Bürgerreporter…“ Die Glückwünsche der Leser, die gleichzeitig zum Reporter werden, haben es direkt von der Kommentarfunktion wieder ins Printprodukt geschafft… engere Verknüpfung zwischen online und offline? Schwer vorstellbar.