Alle Artikel in: Modellseminar Web 2.0 2010

Das Netz ist lokal – Qualitätsjournalismus schafft neue Angebote
Modellseminar vom 15. bis 19. November 2010 in Augsburg

„Startup – Neue Wirtschaftsthemen finden“

Die Bilanz-PK, das Unternehmensporträt und die Arbeitsmarktstatistik – die üblichen Verdächtigen sind oftmals konkurrenzlos und fehlen in keinem Wirtschaftsteil, egal ob lokal oder überregional. Doch kann das alles sein? Nein! Der Leser hat mehr verdient, glaubt die Arbeitsgruppe 1 des Modellseminars „Gut investiert – Wirtschaft im Lokalen“. Das Thema und die Themenentwicklung stehen natürlich auch im Wirtschaftsressort einer jeden Zeitung im Mittelpunkt. Oftmals jedoch ist der Pfad, auf dem der Journalist wandelt, um dem Leser das Thema zu vermitteln, ausgetreten. Neue Wege und Werkzeuge müssen her, um den Leser zu begeistern. Doch welche Inhalte sind das, und viel wichtiger noch: Wie finde ich sie? Die Seminaristen haben sich zu Beginn ihrer Gruppenarbeit einer Mindmap bedient, um zu visualisieren, was sie grundsätzlich mit dem Wort „Wirtschaft“ verbinden. Schnell wurde deutlich, wie facettenreich das Thema ist und man sich von dem engen Korsett, das die Wirtschaftsberichterstattung allzu oft bestimmt, lösen muss.

Mit Schwung zur Bilanz-PK

Bei Bilanz-Pressekonferenzen bekommen Journalisten in der Regel nur trockene Zahlen zu hören – entsprechend langweilig und gehaltlos sehen dann die Artikel aus. Wie man bei diesen regelmäßigen Pflichtterminen mehr rausbekommt, erklärt Daniela Hungbaur, Wirtschaftsredakteurin für die Augsburger Allgemeine. Gut vorbereitet zum Termin gehen. Grob die Geschäftsberichte der vergangenen Jahre studieren. Denn die Zahlen, die auf der Bilanz-PK mitgeteilt werden, haben ihren wahren Wert erst im Vergleich mit den Vorjahren. Ein Blick ins eigene Zeitungsarchiv ist nötig, da bereits Kollegen eventuell über das Unternehmen berichtet und möglicherweise Probleme thematisiert haben. Gewinne aller Unternehmen können im Handelsregister eingesehen werden. Bei den Zahlen im Geschäftsbericht sollte man vorsichtig sein, denn es will sich immer in einem guten Licht darstellen. Dennoch sollte man den Bericht gründlich lesen.

Mal auf Verdacht

Presserecht ist ein breites Terrain und kann im journalistischen Alltag zum Minenfeld werden. Besonders heikel: Verdachtsberichterstattung. Doch auch Mutmaßungen sind manchmal legitim, man muss nur einiges dabei beachten. Die wesentlichen Punkte hat Dr. Oliver Stegmann, Justitiar bei der FAZ, zusammengestellt. Ausgangsüberlegung: Wahrheit spielt für Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Äußerung eine Rolle Medien nehmen Kontrollfunktion wahr Presse kann nicht auf absolute Wahrheit verpflichtet werden aber: es gibt auch keinen Freibrief für „hemmungsloses“ Verbreiten daher: journalistische Sorgfaltspflicht bei Berichterstattung beachten

Interessant ist was sich bewegt

Tipps für ihren Arbeitsalltag wollte Gabriele Fischer den Lokalredakteuren eigentlich nicht geben. „Ratschläge sind auch nur Schläge“, meinte die Chefredakteurin von Brand eins. Anregend war das Gespräch unter Kollegen bei Kaminfeuer aber trotzdem. Brand Eins ist eines der erfolgreichsten Zeitschriften-Projekte der letzten Jahre. Nach schwierigem Start im Jahr 1999 zählt das Wirtschaftsmagazin inzwischen mehr als 100.000 Leser und wächst stetig. Brand Eins ist aber nicht nur einfach eine Zeitschrift über Wirtschaft, Brand eins ist hip und seriös zugleich. Das Erfolgsrezept laut Fischer: „Wir machen ein Magazin, das wir selbst gerne lesen würden.“ Es wollte von Anfang an anders sein. Und die Leute, die dafür arbeiten, sollten anders sein als bei den üblichen Wirtschaftsblättern. „In den ersten fünf Jahren haben wir ganz ohne Wirtschaftsjournalisten gearbeitet“, erzählte die Mitgründerin des Heftes. Denn die würden keine Fragen stellen, sondern so tun, als wüssten sie schon alles. Der richtige Mitarbeiter für Brand eins ist jemand, der so lange nachbohrt, bis er alles verstanden hat und dann den Lesern locker erklären kann. Der Schlaumeierei und Unverständlichkeit der gängigen Wirtschaftsseiten wollen …

„Zu viel Schwarz und Weiß“

„Gewerkschaft und Unternehmen“ – für Medienmacher sind das zwei Pole im täglichen Umgang mit der vermeintlichen Wahrheit. Wilfried Eberhardt von der Kuka Roboter GmbH ist größtenteils zufrieden mit der Berichterstattung über sein Unternehmen im lokalen und allgemeinen Wirtschaftsteil. Das sagte er in der Diskussionsrunde zum Auftakt des dritten Tages beim Modellseminar. Kein Wunder, viel Negatives gibt es für die Presse im Moment nicht zu erzählen – Auftragslage stimmt, Entlassungen sind derzeit kein Thema, Finanzexperten sehen für die Aktien der Augsburger Automationsunternehmen viel Potential. Mit dem DGB – Regionsvorsitzenden Werner Gloning saß dem Geschäftführer des Global-Players der ideologische Widersacher gegenüber. Mehr oder weniger kontrovers debattierten die beiden über Leiharbeit, Ausbildung und Frauenquote, wobei man dem Gewerkschafter einige Zugeständnisse abringen konnte. Zum Beispiel: Leiharbeit sei in wenigen Einzelfällen durchaus in Ordnung, wenn es darum geht, Auftragsspitzen abzufedern. Aber nur für einen begrenzten Zeitraum,

Die Kraft der Karte

Lorenz Matzat musste seinen Vortrag auf dem Modellseminar in Augsburg wegen Krankheit leider absagen. Glücklicherweise gibt es von ihm ein Video über die Möglichkeiten des Datenjournalismus für das Lokale. Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.Mehr erfahren Video laden Vimeo immer entsperren Datenjournalismus im Lokalen – 07.02.2012 – Vortrag – 17 Min. from datenjournalist.de on Vimeo.

Gesucht: Tabubrecher und Grenzgänger

85 Prozent aller Bürger interessieren sich für Wirtschaftsberichterstattung – das ist die gute Nachricht. Die nicht ganz so gute: Nur die wenigsten Lokalredaktionen schaffen es derzeit, die Themen regelmäßig so aufzubereiten, wie es ihre Leser sich wünschen würden. Das glaubt zumindest Klaus Spachmann von der Uni Hohenheim, der zum Auftakt des Modellseminars 2012 in Augsburg seine aktuelle Studie vorstellte:  „Wie Leser Wirtschaft wollen“. Vorne weg machte er den Seminar-Teilnehmern Mut: 60 Prozent der Befragten halten Journalisten für glaubwürdig. Ein guter Wert, gerade im Vergleich zu Bankern, die mit 22 Prozent ganz weit unten in der Vertrauensskala rangieren. Fast die Hälfte der Befragten informiert sich über Wirtschaft in der regionalen Tageszeitung. Auf dieser Erkenntnis können sich Lokalredakteure aber nicht ausruhen, ganz im Gegenteil. Das Privileg bringt auch eine Verantwortung mit sich. Es müsse ein Umdenken stattfinden. Journalisten sollen sich zu Grenzgängern zwischen den Disziplinen entwickeln, um der Komplexität in der Wirtschaftswelt gerecht zu werden. Gefragt sind Tabubrecher, die kritisieren und kontrollieren.