Alle Artikel in: Redaktionskonferenz Recherche Rechtsextremismus 2014

Wir machen uns fit! Recherche Rechtsextremismus vor Ort.
Redaktionskonferenz vom 26. bis 28. Mai 2014 in München

Rechtsextremismus im Lokaljournalismus: „Wer hart im Milieu arbeitet, ist gefährdet, beweist Mut und verdient Anerkennung“

Rechtsextremes Gedankengut ist kein Randphänomen, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das zeigen aktuelle Studien wie „Die Mitte im Umbruch“ der Friedrich Ebert Stiftung und das bestätigen auch die jüngsten Wahlergebnisse zum Europaparlament. Für Journalisten stellt sich zunehmend die Frage, wie sie journalistisch korrekt mit rechtsextremem Gedankengut und demokratisch gewählten Vertretern rechtsextremer Parteien umgehen sollen. Einige Antworten gab es auf der Redaktionskonferenz „Recherche Rechtsextremismus“ der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb Ende Mai in München. Die bpb legt seit langem einen besonderen Schwerpunkt auf die Aufklärung über und den Umgang mit Rechtsextremismus. Eine Berichterstattung über diesen Themenkomplex bringt Chancen und auch Gefahren mit sich, vor allem für die Lokalpresse. Die Redaktionskonferenzen der bpb werden daher, auch zu anderen Themen, immer für Lokaljournalisten und mit Lokaljournalisten organisiert. „Sorgfalt in der Berichterstattung über Rechtsextremismus und vor allem ein kontinuierlicher Umgang mit dem Thema sind die Grundlage für guten Journalismus“, meint Berthold. L. Flöper. Der Leiter des Lokaljournalistenprogramms der bpb erinnerte zu Beginn der Konferenz daran, dass nicht nur die Sicherheitsbehörden, sondern auch der Journalismus allen Grund gehabt habe …

Kurzinterview mit… Jana Klameth, stellvertretende Chefredakteurin der Freien Presse Chemnitz

Frau Klameth, Sie sind seit 27 Jahren Journalistin in Sachsen – können Sie sich noch an ihre erste Geschichte im rechtsextremistischen Milieu erinnern? Das muss in den 90er Jahren gewesen sein, als darüber gesprochen wurde, die SSS (Anmerkung: Skinheads Sächsische Schweiz) zu verbieten. Wir waren damals in der Redaktion unsicher, wie wir mit Rechtsextremismus umgehen sollten und mussten uns erst an das Thema herantasten. Einmal sind wir so richtig auf die Nase gefallen, als wir ein Streitgespräch zwischen einem Neo-Nazi und einem Gegner abdruckten. Das hat schlicht nicht funktioniert. Seitdem haben wir nie wieder ein Wortlaut-Interview veröffentlicht. Sprechen Sie denn mit denen? Natürlich, aber die Wortlaut-Zitate werden immer eingeordnet, damit man Zusammenhänge klar machen kann. 2005 habe ich einen Artikel über ein Treffen mit den Jungen Nationaldemokraten veröffentlicht, in dem ich die Situation beschrieben habe, dass nur der Vorsitzende reden durfte. Die Jugendlichen, die anwesend waren, hatten Redeverbot. Das sagt schon viel aus. Sie sind stellvertretende Chefredakteurin von 19 Lokalzeitungen. Haben Sie Leitlinien für die Berichterstattung über Rechtsextreme? Es gibt nichts Schriftliches, aber schon Grundsätzliches: …

Kurzinterview mit…. Robert Kiesel, Innenpolitik-Redakteur beim Nordkurier und Landesmedienpreisträger 2013 von Mecklenburg-Vorpommern

Herr Kiesel, seit wann recherchieren Sie zur rechtsextremen Szene? Ich habe mich schon während meines Politikstudiums in Berlin mit den Themen ausgehend vom Nationalsozialismus bis hin zu Rechtsextremismus beschäftigt und war oft auf Demonstrationen gegen Nazis unterwegs. Schon mal Angst gehabt? Ja, ich hatte eine beängstigende Situation letztes Jahr in Magdeburg, wo die ganze Stadt wegen eines Naziaufmarsches im Ausnahmezustand war. Ich wollte darüber berichten, wie die Stadtbewohner damit umgehen und wie sich das für sie anfühlt. Bei der Rückfahrt bin ich dann in einen Zug gestiegen, in dem 50 Nazis in einem Triebwagen saßen. Es gab keinerlei Polizeibegleitung und die waren auf Provokation aus. Da rutschte mir schon das Herz in die Hose, aber zum Glück hat mich keiner von der Demo erkannt. Im vergangenen Jahr bekamen Sie den Landesmedienpreis von Mecklenburg-Vorpommern für Ihr journalistisches Engagement gegen Rechtsextremismus. Wahrscheinlich sind Sie jetzt der Nazi-Beauftragte der Redaktion? So kann man das nicht sagen. Ich bin kein Spezialreporter, sondern arbeite im Ressort für Landespolitik, worüber ich auch sehr froh bin. Ich könnte nicht die ganze Zeit …

Verwischte Spuren und blinde Flecke

Albrecht Ude, der Herr mit dem Sicherheitstrakt in der Laptoptasche, eröffnet mit seinem Vortrag zum Thema „Internetrecherche und sicheres Surfen“ den zweiten Tag der Redaktionskonferenz „Wir machen uns fit. Recherche Rechtsextremismus vor Ort“. Konkret spricht der Recherchetrainer, der sich auch beim netzwerk recherche (nr) engagiert, von der Bedeutsamkeit, die eigenen Spuren im Netz zu kontrollieren, erklärt wie sichere Kommunikation funktioniert und wie man Informationen verifiziert. There’s an alternative to google… Google versucht ja bekanntlich nicht nur, das zu liefern, was wir finden wollen, sondern auch unsere Daten zu sammeln. Ude rät daher zu alternativen Suchmaschinen, die ein anonymes Surfen möglich machen, wie die Metasuchmaschine startpage.com, die 20-30 Suchmaschinen nach dem eingegebenen Suchbegriff abfragt und dabei verschleiert, wer diesen Suchbegriff eingegeben hat. „Sie müssen im Netz ihre Spuren kontrollieren“, sagt Ude „und sich bewusst machen, für welche Recherche kann ich welche Spuren hinterlassen“. Der Rechercheprofi rät Redaktionen einen „spurenarmen Rechner“ für sensible Recherchen und darüber hinaus einen elektronischen Briefkasten für verschlüsselte E-Mails einzurichten. Eine gute Alternative, sich besonders spurenlos durchs Netz zu bewegen, sei das Internetcafé …

„Rechtsextremismus war immer in der Mitte der Gesellschaft“

Einen Tag nach den Europawahlen startete in München die bpb-Redaktionskonferenz „Wir machen uns fit. Recherche Rechtsextremismus vor Ort“. Lokaljournalistinnen und -journalisten aus Tageszeitungs-, Radio- und Onlineredaktionen brainstormen vom 26. bis 28. Mai am Institut für Publizistik (ifp), wie man mit Rechtsextremismus umgehen könnte. Europa hat gewählt. In Großbritannien und Österreich haben die Rechtspopulisten zugelegt, in Frankreich wurde die Front National mit rund 25 Prozent sogar zur stärksten Kraft. Solche Wahlergebnisse bestätigen: Rechtsextremistisches Gedankengut ist längst kein Randphänomen mehr, sondern Teil der Mitte. Dr. Ralf Melzer, Herausgeber der zweijährigen Friedrich-Ebert-Stiftungs-Studie „Die Mitte im Umbruch“ würde sogar noch weiter gehen: „Rechtsextremismus war immer in der Mitte der Gesellschaft“. Melzer, drehscheibe-Journalist Stefan Wirner und Rechtsextremismus-Expertin und freie Journalistin Andrea Röpke gaben sozusagen den Auftakts-Input für drei verschiedene Arbeitsgruppen, in denen die Lokaljournalisten sich Lösungsansätze überlegen, wie beispielsweise eine kontinuierliche Berichterstattung über Rechtsradikalismus aussehen könnte, wie man Rechtsradikale im Netz ausmacht oder als Lokalredaktion auf Bedrohungssituationen reagiert. „Normalisierung als klare Strategie der NPD, der man nicht auf den Leim gehen sollte.“ Seit 2006 untersucht die FES alle zwei Jahre …