Alle Artikel in: Whistleblower

Whistleblower können auch Gewinner sein

Inge Hannemann ist Whistleblowerin. In Hamburg hat sie Praktiken des Jobcenters im Bereich Hartz-IV-Sanktionen öffentlich gemacht. Seit Jahren kämpft sie vor Gerichten um ihren Job. Und wenn sie sich bedroht fühlt, dann sucht sie die Öffentlichkeit. Denn sobald diese hergestellt sei, fühle sie sich etwas sicherer, sagt sie. Denn: „Es ist schon erschreckend, wie weit eine Behörde geht, um sich selbst zu schützen“. Sie fühlt sich als Informantin denunziert. Erfahrungen im Umgang mit Journalisten Am zweiten Tag der Whistleblower-Tagung von bpb und Akademie für Politische Bildung in Tutzing berichtet Hannemann am Dienstag davon, wie es ist, als Whistleblowerin mit den Medien zusammenzuarbeiten. Die Hamburgerin hat dabei mehr gute als schlechte Erfahrungen mit den Massenmedien gemacht. So seien viele investigative Journalisten – unter anderem von ZDF und NDR – auf sie zugekommen, die sich viel Zeit für die Aufdeckungen genommen hätten. Diese Journalisten hätten ohne Zeitdruck arbeiten können und das, so Hannemann, sei „einfach wichtig“. „Es ist wichtig, dass es investigative Journalisten gibt, die sich Zeit nehmen“ (Inge Hannemann) Was Hannemann stets ablehnt ist jedoch Exklusivität. …

Landesverrat? Aktivismus? Journalismus.

Whistleblower treten aus dem Schatten, werden immer anerkannter. Das merkt man schon daran, dass der Begriff „Whistleblower“ in aller Munde ist, das ihn fast jede und jeder in Deutschland mittlerweile kennt. Ein Gesetz, das Whistleblower explizit unter Schutz stellt, gibt es aber (noch) nicht. „Lassen Sie uns nicht aufs Gesetz starren wie die Schlange aufs Kaninchen“, sagt Annegret Falter vom Whistleblower-Netzwerk. Denn es brauche vor allem eine gesellschaftliche Diskussion über das Thema. Und kaum jemand hat die in letzter Zeit derart angeheizt wie netzpolitik.org-Chefredakteur Markus Beckedahl, der in Tutzing am Dienstagmorgen neben Falter auf der Bühne sitzt. „Einer der surrealsten Momente meines Lebens“, sagt Beckedahl, sei es gewesen – der Moment als er die Bestätigung in den Händen hielt, dass der Generalbundesanwalt gegen netzpolitik.org ermittelt. Weil Beckedahl mit seinem Kollegen Andre Meister Originaldokumente ins Netz gestellt hatte, unter anderem um eine Diskussion über den Ausbau der Massenüberwachung in Deutschland anzustoßen. „Uns war klar, wenn die damit durchkommen, dann ist das nicht unsere Bundesrepublik“, sagt Beckedahl. Der Vorwurf lautete Landesverrat. Und dann stand die Presse vor der …

Aus dem Nähkästchen eines Rechercheurs

26. September 1980. Eine Rohrbombe explodiert auf dem Münchner Oktoberfest und tötet 13 Menschen. Über 200 Personen werden schwer verletzt, über sechzig davon schwer. „Ich nahm mir vor, die Spuren der Ereignisse jener Nacht aufzunehmen und ihnen zu folgen“, liest Ulrich Chaussy vor. Vor ihm liegt sein Buch „Oktoberfest – das Attentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann“. Es klingt wie ein Thriller, wenn der Journalist, Autor und Rechercheur vorliest, wie damals dieses ominöse braune Päckchen voller Akten in seiner Wohnung landete. Wie er die Spur aufnahm. Wie er am 9. Mai 1983 seinen ersten Radiobeitrag zum Thema sendete und die Aufdeckung und die Konflikte darum ihren Lauf nahmen. Chaussy steht am Montagabend auf dem Podium der Akademie für Politische Bildung in Tutzing und blickt von seinem Manuskript empor. Ein verschmitztes Lächeln huscht über sein Gesicht. Dann teilt er den Anwesenden mit, dass die Szene mit dem Päckchen, das ihm zugespielt wurde, frei erfunden ist. Eine Fiktion inmitten von Fakten. Auch Chaussys Informant in dem Film „Der blinde Fleck“ ist komplett ausgedacht. Warum? Chaussy gibt …

Brauchen Hinweisgeber einen besseren rechtlichen Schutz?

Wolfgang Nešković und Heribert Jöris diskutieren über Hinweisgeberschutz Immer wieder werden Rufe nach einer neuen Gesetzgebung im Bereich des Hinweisgeberschutzes laut. Aber warum ist ein solcher Schutz nötig? Oder ist er das gar nicht? Sind Informanten derzeit schon hinreichend geschützt? Mit einer Podiumsdiskussion rund um diese brenzlige Frage starteten die Teilnehmer der Tagung „Verrat oder Aufklärung – Die Rolle von Whistleblowern für Demokratie und Medien“ am Montag in den Tutzinger Abend. „Wir haben eine ausreichende Rechtslage“ (Heribert Jöris) Keinen Reformbedarf sieht bei dem Thema Heribert Jöris, Geschäftsführer beim Handelsverband Deutschland. Der Schutz, den Informanten derzeit in Deutschland genießen, sei ausreichend, findet Jöris. Anders als sein Vorredner Johannes Ludwig fordert Jöris, dass Whistleblower sehr wohl versuchen sollten, Missstände zunächst vor Ort zu bereinigen, bevor die Presse eingeschaltet werde. Jöris zufolge führten interne Klärungsprozesse nämlich durchaus häufig zu Veränderungen in den Betrieben – auch ohne dass dabei zwangsläufig jemand seinen Job verliere. „Ich habe den Eindruck, dass es das nicht unbedingt einfacher macht, wenn das Ganze an die Öffentlichkeit gezerrt wird“, so Jöris. Die Rechtslage sei „ausreichend“. …

Whistleblowing im Spannungsfeld von Legalität und Legitimität

Spätestens seit Snowden sind sie und ihre Rolle für Demokratie in aller Munde: Whistleblower. Menschen also, die Informationen und Hinweise über Probleme, Missstände oder Gefahren an die Öffentlichkeit kommunizieren. Für viele ist deshalb klar: Whistleblower sind Hinweisgeber, Informanten und eben deshalb vor allem Aufklärer. Doch handeln sie oft rechtswidrig. Deshalb sind sie auch: Verräter. Oder? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Tagung „Die Rolle von Whistleblowern für Demokratie und Medien“ mit dem Untertitel „Verrat oder Aufklärung?“, die heute in der Akademie für politische Bildung in Tutzing begonnen hat. Bereits in der Vorstellungsrunde merkt man, wie viele unterschiedliche Meinungen es unter den anwesenden Journalisten, Menschenrechtlern und sonstigen Akteuren es zum Thema gibt. Whistleblower können „Gerechtigkeitsfanatiker“ sein, sagt Lothar Hausmann vom Medienhaus Dortmund gleich zu Beginn der Tagung – und ergänzt: Ja, Whistleblower könnten auch „nerventötende Penetranten“ sein. Andere warnen davor, dass zu viel Transparenz auch gefährlich sein könne. „Whistleblower handeln unrechtmäßig – zunächst“, lautet auch eine der zentralen Thesen von Prof. Dr. Johannes Ludwig von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg, der den ersten Impulsvortrag zur …