Whistleblower

Whistleblower können auch Gewinner sein

Inge Hannemann ist Whistleblowerin. In Hamburg hat sie Praktiken des Jobcenters im Bereich Hartz-IV-Sanktionen öffentlich gemacht. Seit Jahren kämpft sie vor Gerichten um ihren Job. Und wenn sie sich bedroht fühlt, dann sucht sie die Öffentlichkeit. Denn sobald diese hergestellt sei, fühle sie sich etwas sicherer, sagt sie. Denn: „Es ist schon erschreckend, wie weit eine Behörde geht, um sich selbst zu schützen“. Sie fühlt sich als Informantin denunziert.

Erfahrungen im Umgang mit Journalisten

Am zweiten Tag der Whistleblower-Tagung von bpb und Akademie für Politische Bildung in Tutzing berichtet Hannemann am Dienstag davon, wie es ist, als Whistleblowerin mit den Medien zusammenzuarbeiten. Die Hamburgerin hat dabei mehr gute als schlechte Erfahrungen mit den Massenmedien gemacht. So seien viele investigative Journalisten – unter anderem von ZDF und NDR – auf sie zugekommen, die sich viel Zeit für die Aufdeckungen genommen hätten. Diese Journalisten hätten ohne Zeitdruck arbeiten können und das, so Hannemann, sei „einfach wichtig“.

„Es ist wichtig, dass es investigative Journalisten gibt, die sich Zeit nehmen“ (Inge Hannemann)

Was Hannemann stets ablehnt ist jedoch Exklusivität. Der Spiegel etwa habe sich nach juristischer Prüfung der von ihr gesammelten Dokumente eine exklusive Story gewünscht, hätte gerne Einsicht in alle 26 Aktenordner Hannemanns (mittlerweile sind es über 80) erlangt. Doch eine exklusive Berichterstattung wollte Hannemann nicht. „Ich brauche eine breite Streuung.“

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Inge Hannemann

Die Erfahrungen Hannemanns mit Lokaljournalisten sind nicht ganz so gut. Denn diese hätten oft weniger Zeit, sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen. Ausdrücklich gelobt wird von Hannemann der Trierische Volksfreund und dessen „saubere Recherche“. Schade sei, dass manche Medien sich zu sehr auf ihre Person kaprizierten. Denn: „Es geht hier nicht um Hannemann – es geht um die Problematik.“ Heute sitzt die streitbare Whistleblowerin für die Linke in der Hamburger Bürgerschaft – und veröffentlicht weiter, unter anderem auf ihrem Blog. Ein bisschen klingt Hannemanns Geschichte deshalb auch nach einer Erfolgsgeschichte. Doch sie relativiert: Gesundheitlich etwa hätten die zurückliegenden Jahre Folgen hinterlassen. Schön wäre es, wenn in Zukunft mehr Menschen mit Klarnamen an die Öffentlichkeit gingen.

Ein bekanntes Gesicht im Bereich Whistleblowing ist auch Swen Ennullat, der am Dienstag ebenfalls auf dem Tutzinger Podium sitzt. Ennullat hat sich gleich zwei Mal als Whistleblower betätigt – zuerst beim Staatsschutz Sachsen-Anhalt und dann als Angestellter der Kommunalverwaltung Königswusterhausen (die Fälle wurden hier vom Dokumentationszentrum ansTageslicht ausführlich dokumentiert). Er erzählt von den Einschüchterungsversuchen und den vielen Steinen, die ihm in Folge der Enthüllungen rund um einen leitenden Polizeibeamten, der die Verfolgung rechtsextremer Kriminalität bremsen wollte, in den Weg gelegt wurden. „Da wurde auf allen Ebenen gekämpft“, erzählt Ennullat. Sein Kollege wurde beispielsweise versetzt. Statt rechte Gewalt aufzuklären kontrollierte dieser nun LKWs. Und diverse Politiker übten Druck aus. Und: Anweisungen, nicht zu sehr gegen Rechts zu ermitteln, gebe es nach wie vor, so Ennullat.

Lokale Medien unter Druck?

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Swen Ennullat

Berichtet wurde über den Fall vor allem von Medien, die nicht in Sachsen-Anhalt beheimatet sind, vor allem vom Tagesspiegel, dessen Reporter Frank Jansen für seine über Jahre andauernde Berichterstattung über den Fall den Wächterpreis erhielt. Ennullat zufolge sei Mitarbeitern der regionalen Tageszeitungen vom Innenministerium nahegelegt worden, weniger über Ennullats Aufdeckungen zu berichten. „Denen wurde gesagt, ihr kriegt keine Interviews mehr von uns, wenn ihr weiter diese Geschichten druckt“, erzählt Ennullat in Tutzing.

„Mir hätte ein Whistleblower-Gesetz geholfen“ (Swen Ennullat)

Auch in Königswusterhausen, wo Ennullat als Fachbereichsleiter Ungereimtheiten bei der Abrechnung von Personalkosten einer Kita aufdeckte, wehte ihm eisiger Wind entgegen. Im Herbst 2014 wurde er entlassen. Ruhighstellen ließ er sich aber nicht: „Ich bin ein Sturkopf und eine bestimmte Passivität kann ich nicht ertragen.“ Hier wurde dann regional intensiv berichtet: Die Märkische Allgemeine veröffentlichte regelmäßig Artikel über das Thema und verfolgte Ennullats Fall. Auch Johannes Ludwig vom Dokumentationszentrum AnsTageslicht.de unterstützte Ennullat mit Berichten im Netz. Mit Erfolg: Swen Ennullat ist heute Jugendamtsleiter des Kreises Teltow-Fläming. Und er sagt: „Mir hätte ein Whistleblower-Gesetz geholfen.“ Gerne wäre er anonym und straffrei geblieben.

Ennullat wünscht sich konkret Folgendes:

(1) Eine Gesetzgebung, die es Whistleblowern – zumindest in öffentlichen Ämtern – erlaubt, anonym Hinweise weiterzugeben.
(2) Eine unabhängige Beschwerdestelle, sie solche Hinweise unparteiisch prüft.
(3)Eine als Stiftung organisierte Beratungsstelle, die auch psychologische Beratung für Whistleblower vermittelt und bei der Jobsuche behilflich ist.