Whistleblower

Brauchen Hinweisgeber einen besseren rechtlichen Schutz?

Wolfgang Nešković und Heribert Jöris diskutieren über Hinweisgeberschutz

Immer wieder werden Rufe nach einer neuen Gesetzgebung im Bereich des Hinweisgeberschutzes laut. Aber warum ist ein solcher Schutz nötig? Oder ist er das gar nicht? Sind Informanten derzeit schon hinreichend geschützt? Mit einer Podiumsdiskussion rund um diese brenzlige Frage starteten die Teilnehmer der Tagung „Verrat oder Aufklärung – Die Rolle von Whistleblowern für Demokratie und Medien“ am Montag in den Tutzinger Abend.

„Wir haben eine ausreichende Rechtslage“ (Heribert Jöris)

Keinen Reformbedarf sieht bei dem Thema Heribert Jöris, Geschäftsführer beim Handelsverband Deutschland. Der Schutz, den Informanten derzeit in Deutschland genießen, sei ausreichend, findet Jöris. Anders als sein Vorredner Johannes Ludwig fordert Jöris, dass Whistleblower sehr wohl versuchen sollten, Missstände zunächst vor Ort zu bereinigen, bevor die Presse eingeschaltet werde. Jöris zufolge führten interne Klärungsprozesse nämlich durchaus häufig zu Veränderungen in den Betrieben – auch ohne dass dabei zwangsläufig jemand seinen Job verliere. „Ich habe den Eindruck, dass es das nicht unbedingt einfacher macht, wenn das Ganze an die Öffentlichkeit gezerrt wird“, so Jöris. Die Rechtslage sei „ausreichend“. Und man müsse aufpassen, dass die „sogenannte Vierte Gewalt nicht dazu genutzt wird, um die Dritte Gewalt auszuschalten“. Und schließlich: Man dürfe die „Prangerwirkung“ der Medien nicht vergessen, denn die könne im Zweifel auch dem einzelnen – womöglich unschuldigen – Mitarbeiter heftig auf die Füße fallen. “ Wir müssen auch darüber reden, wie die Presse mit den Fällen umgeht, wo nichts dran war.“

„Der Whistleblowerschutz, den wir haben, ist höchst embryonal“ (Wolfgang Nešković)

Wolfgang Nešković, ehemals Richter am Bundesgerichtshof und ehemals Mitglied des Bundestages für die Linke, zieht völlig andere Schlüsse aus der bestehenden Rechtslage. Es brauche sehr wohl neue Normierungen, um Informanten zu schützen, sagt er. Dann erzählt er von der Veterinärmedizinerin Margit Herbst, die im norddeutschen Bad Bramstedt einst den BSE-Skandal ans Licht brachte – und ihren Job verlor. Heute lebe die 71-Jährige trotz jahrelangem Kampf vor Gericht von einer kläglichen Rente. Das sei ein anschauliches Beispiel dafür, wie unzureichend die bestehende Gesetzeslage Whistleblower schütze. Dabei seien moderne Gesellschaften auf Whistleblower angewiesen: „Wir müssen diesen Menschen Schutz geben.“

Bpb-Referentin Sabrina Gaisbauer weist währenddessen auf die Gesetzentwürfe hin, die im Bundestag nicht weit kamen. Und Dr. Michael Schröder von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing stellt die Frage in den Raum, ob ein Gesetz denn womöglich die Rahmenbedingungen dafür schaffen könnte, unter denen es zukünftig einfacher werde, als Mitarbeiter eines Betriebes, in dem etwas schief läuft, Zivilcourage zu zeigen. „Wir brauchen“, so Nešković, „eine Ermunterung“. Und die könne man nicht per Gesetz schaffen. Aber ein Gesetz könne dazu beitragen, ein Klima zu schaffen, in dem Zivilcourage besser gedeiht.

Kernthese von Heribert Jöris: „Der Hinweisgeberschutz ist in Deutschland in Einklang auch mit internationalen Standards vollkommen ausreichend geregelt. Es bedarf keiner neuen Gesetze.“

Kernthese von Wolfgang Nešković: „Der Hinweisgeberschutz ist in Deutschland nur fragmentarisch und unzureichend geregelt. Er mag zwar deswegen – zum Beispiel aus der Sicht der Interessenvertreter der Arbeitgeber – nicht reformbedürftig sein. Aus Gründen des Allgemeinwohls besteht hier jedoch ein dringender und umfassender Reformbedarf.“