So könnte man die Forderung von Henning Scherf, ehemaliger Bürgermeister der Stadt Bremen, überspitzt zusammenfassen. Machte er doch gleich zu Beginn deutlich: „Die allgemeine Berichterstattung zum Thema Demografie ist eine Katastrophe, weil sie panisch ist.“ So seien all die Meldungen, die den demografischen Wandel als ein Schreckensszenario skizzieren, Ausdruck eines kulturellen Lecks. „Die Entwicklung wird nicht vollkommen wahrgenommen. Viele haben nur das Älterwerden als etwas Negatives im Blick und sehen zum Beispiel gar nicht, dass ältere Menschen zwar körperliche Gebrechen haben, aber geistig so derartig auf der Höhe sind“, erklärt Scherf. Beispielsweise sei die Angst, wie man all die alten Menschen denn pflegen soll, seiner Meinung nach unbegründet: „Die meisten wollen doch überhaupt nicht ins Heim – die wollen raus ins Leben.“
Scherf ist überzeugt davon, dass die älterwerdende Gesellschaft eine Chance für alle ist. Er erhofft sich von JournalistInnen, dass sie sich auf die Suche nach alten Menschen vor Ort machen, die selbstständig leben und ihr Leben aktiv gestalten. Er muss allerdings einräumen, dass man diese unter Umständen suchen müsste, aber wenn man sie finden würde, wären sie ein echter Schatz. „Rücken Sie denen auf die Pelle und sprechen mit ihnen. Sie werden sehen: Das sind Menschen, die noch teilnehmen wollen, die richtig viel erleben.“
Henning Scherf scheint bei diesem Thema grundsätzlich das Positive zu sehen. Als Kerstin Loehr sich zu Wort meldet und auf all die Menschen hinweist, die ihre Angehörigen pflegen und damit eine schwere Last tragen, findet der 78-jährige Scherf wieder einen positiven Dreh. Zunächst bejaht er zwar Loehrs Frage, ob nicht ein System geschaffen werden müsste, dass die Pflegenden unterstützt, verfällt deswegen aber nicht in Jammern. „Um solchen Menschen zu helfen, braucht es ja keine diplomierten Pfleger, sondern das kann auch einfach die Nachbarin sein, die mal aushilft. Wenn das funktioniert, entwickelt sich Vertrauen und Dankbarkeit auf der Seite der Entlasteten. Und auf der anderen Seite Freude über die geleistete Unterstützung. Beide Seiten profitieren und es entsteht ein Netzwerk.“ Es gibt inzwischen in Deutschland 120.000 ehrenamtliche Hospize und Scherf vermutet gar, dass sie aus genau solchen Beziehungen entstanden seien.
Der demografische Wandel ist kein Geldproblem. Das Problem ist vor allem, wie man die Ressourcen einer alternden Gesellschaft mobilisiert
Für ihn sind auch alte Menschen die Zukunft, denn sie seien nicht selten diejenigen, die die Dörfer lebendig halten. Wichtig sei, dass man den Alten vernünftige Aufgaben anbieten würden. „Die wollen nicht auf dem Friedhof Laub harken. Sie wollen das Gefühl haben, dass sie wirklich gebraucht und wertgeschätzt werden.“ Er berichtet von einer freiwilligen Feuerwehr, die eigens für die Älteren ein Übungshaus mit alten Geräten geschaffen habe. Dass Journalisten genau solche Geschichten erzählen, Forderungen formulieren, auf die politische Ebene Druck ausüben und selbst mit nach Möglichkeiten Ausschau halten, hält er für immens wichtig. Auch deshalb, weil der demografische Wandel kein Geldproblem sei. „Das Problem ist vor allem, wie man die Ressourcen einer alternden Gesellschaft mobilisiert. Sie als JournalistInnen können die Sache in Schwung bringen. Und ich bin davon überzeugt, dass eine Zeitung dadurch spannender wird.“ Ohnehin würden die LeserInnen beim Zeitunglesen nicht auf einer Beerdigung sein wollen.
Dass Henning Scherf einer der wichtigsten Streiter für einen geänderten Blick auf das Älterwerden und den Demografischen Wandel ist, dürfte am Ende dieses Abends niemand mehr bezweifelt haben. In puncto Berichterstattung zum Thema Demografie zählt für Scherf vor allem eines: Constructive News.