Wer innovative und durchdachte kommunalpolitische Berichterstattung im Netz sucht, muss nicht in die Großstadtredaktionen schauen: Christina Knorz vom Nordbayerischen Kurier zeigt, wie die Bayreuther Redaktion ihre User mit einem Mix aus fundierten und schnellen Formaten überzeugt. Und zwar Online to Print.
Präsentation von Christina Knorz
„Unser Ruf ist schlechter als das, was wir tun“, begann Knorz mit Blick auf den Lokaljournalismus allgemein. Dem Nordbayerischen Kurier war klar, dass sich in Zeiten wandelnder Mediennutzungsgewohnheiten auch die eigene Redaktion, das eigene Produkt wandeln muss. Seit dem Frühjahr ist in Bayreuth nun „Online to Print“ die Devise. Es wird erst für Online produziert und dann für Print ausgewählt. Das hört sich simpel an, verändert jedoch traditionelle Selbstverständnisse von Grund auf.
Eine Woche im Voraus wird festgelegt, was wann kommen wird. Die Grenzen zwischen den Ressorts wurden eingerissen, „alle Themen sind nun entweder aktuell, Dranbleiber oder zeitlos“. Das sind beim Nordbayerischen Kurier keine Füllwörter, sondern Teil eines festen Konzepts, von dem Onlinemedien jeder Art lernen können – gerade für die politische Berichterstattung.
Kategorie eins: aktuelle Themen
Ob Katastrophen, Sport-, oder politische Ereignisse: Um aktuelle Ereignisse zu begleiten, bespielt die Redaktion nicht nur Social Media, sondern vor allem tickert sie exzessiv. Für diese Ticker würden teilweise auch Inhalte aus den sozialen Medien kuratiert, wie bei dem Germanwings Absturz. Der Kurier hatte selbst keine Reporter vor Ort, sondern die sozialen Netzwerke beobachtet und die Eckdaten zusammengetragen. „Über fünf Tage lang haben sich das 12.000 Leute angeschaut“, erzählt Knorz. Die Redaktion hat die Ticker nicht nur für bierernste Themen eingesetzt. Auch zu einer „Stinkepflanze in Bayreuth, die nur einmal in Jahren blüht“ wurde getickert. Mehrere Tage lang. Die Zugriffszahlen gingen in die Tausende. „Das war der Wahnsinn“, sagt Knorz. Und: „ein Kreativ-Test“. Für sie eignen sich Ticker hervorragend dazu, Leser zu binden, und auch jene zu erreichen, die die ausgeruhteren Formate nicht wahrnehmen.
Kategorie zwei: Dranbleiber
Dranbleiber sind Beiträge, die länger interessant bleiben, Themen aufarbeiten und Hintergrundinfos geben. „Wir haben über das Thema berichtet, und die Leser kennen es auch“, sagt Knorz. Tools für Dranbleiber sind Timelines, Verlinkungen und Videos. Wie ein Erklärvideo zur Straßenausbaubeitragssatzung mit Playmobil-Männchen, das „ein Tag Arbeit für den Kollegen“ gewesen sei. Solche Formate können mit einer langen Verweildauer toppen.
Kategorie drei: zeitloser Content
„Zeitloser“ Content sei zeitintensiv, aber auch lange haltbar. Wie Infografiken, Videoporträts, Multimedia-Reportagen und Spiele. „Quartetts zum Beispiel, damit steigert man die Verweildauer auf den Seiten ungemein – und die ist wichtiger als Klicks.“
Auch Videos, die Geschichte aufarbeiten, lassen sich in der Lokalredaktion produzieren. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs entstand beim Nordbayerischen Kurier eine mehrseitige Sonderbeilage und ein Videoporträt. Das Video macht Eindruck, es läuft der O-Ton eines Zeitzeugen im Hintergrund, historische Aufnahmen, seriöse Musik. TV-Qualität müsse man laut Knorz nicht erwarten, „das ist auch nicht unsere Aufgabe“, dennoch wirkt die Reportage sehr professionell und ist auch im kleineren Rahmen machbar – mit Zeit und Planungen.
Und wie geht es weiter?
Die Zukunft ist laut Knorz mobil. „Die Nutzungszeiten ändern sich, die Lesezeiten und die Produktionszeiten müssen einander angepasst werden“. Für das Monitoring nutzt der Nordbayerische Kurier zum einen Chartbeat. „Nur 33% kommen über den First Screen rüber und scrollen weiter runter“, ist eine der Erkenntnisse, die aus dem Monitoring gewonnen werden.
Die mobilen Zugriffe auf der Seite explodieren. 55% kommen über den Desktop. Am Wochenende kommen aber bis zu 54% über mobile Endgeräte. „Wir müssen weg vom Bigscreen, wir brauchen skalierbare Inhalte für den Handy-Bildschirm.“ Dabei hätten nur wenige User mehrere Apps. „Es muss darum gehen, den First-Screen Newsapp-Platz zu ergattern“, sagt Knorz.
Onlinemedien müssten selbstkritisch sein und die Perspektive der Leser einnehmen können.
„Wofür würden wir uns selber 10 Euro geben im Monat? Das ist eine Frage, die wir uns alle mal stellen sollten“, sagt Knorz.