Klar, die Devise „Man sollte kanalübergreifend denken und arbeiten“ dürfte inzwischen nun wirklich jeder Lokaljournalist gehört haben. Als Uwe Renners vom Nordbayerischen Kurier dies auch betonte, war das also erstmal keine Neuigkeit für die Teilnehmer des Modellseminars. Was Uwe Renners dann allerdings als nächstes während seines Vortrags zum Thema „Politik auf allen Kanälen spannend erzählt. Mit neuen Formaten für Politik begeistern“ folgen ließ, versetzte manchen Zuhörer dann doch in Staunen.
So berichtet Renners, dass die Redakteure beim Nordbayerischen Kurier in der Regel selbst gar keinen Zugriff mehr auf das Layoutsystem hätten. „Im Kopf muss der Schalter umgelegt werden und dabei kann es helfen, dass gewisse Rechte entzogen werden“, erklärt er. Damit meint Renners, dass es eine Trennung zwischen Print und Online eben nicht mehr geben dürfe. „Klar, die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Jeder Journalist ist irgendwo spezialisiert, aber die Denke darf es eben nicht sein. Jeder Printredakteur muss auch online arbeiten und umgekehrt.“
Auch die Zeiten des Aufmachers und des Terminjournalismus seien vorbei, zumindest beim Nordbayerischen Kurier. „Bei uns wird alles nach drei Kategorien sortiert: Aktuelles, Dranbleiber und Zeitloses“, erklärt Renners. Zur Kategorie „Dranbleiber“ zählen bekannte Themen mit News, zu denen Archivmaterial vorliegt. Dafür bieten sich Timelines, Videos und Verlinkungen an. In die Kategorie „Zeitlos“ fallen langfristige Entwicklungen, Historisches sowie Debattenthemen. Hierfür empfiehlt Renners Videoporträts, Multimedia-Reportagen, Infografiken und Spiele. Eine gute Planung sei dabei natürlich immer enorm wichtig: „Bereits wenn ich losgehe, muss ich mir überlegen, wie ich das Thema nicht nur im Print umsetzen kann, sondern auch auf den anderen Kanälen.“ Ein Redakteur, der im Plenum sitzt, konstatiert daraufhin: „Dadurch verschiebt sich doch sehr viel. Statt rauszugehen zu den Leuten sitzen die meisten den ganzen Tag in der Redaktion und planen.“ Nach Ansicht Renners werde dieses Problem eben dadurch gelöst, dass jeder alles machen soll. „Auch der Onliner kann rausgehen und Geschichten schreiben“, sagt er. Als dann die Sprache auf Facebook-Gruppen kommt, findet Renners zunächst deutliche Worte: „Im Lokalen ersetzen sie teilweise die Tageszeitung“ und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Wenn Redakteure in diesen nicht vertreten sind, sehe ich das schon fast als Abmahnungsgrund an.“
Doch bei alldem gilt nach Meinung Renners: Ein noch so guter Content nützt nichts, wenn ich nicht weiß, wie sich meine Leser im Netz verhalten. Renners betont: „Unsere Aufgabe ist es also auch, die Daten zu analysieren. Der Erfolg von Facebook und Google beruht ja darauf, dass sie die Daten auszuwerten wissen und folglich genaue Infos darüber haben, wer sie liest.“ Seine Ausführungen veranschaulicht er mithilfe zweier Infografiken, die verdeutlichen, wie sehr die Lesezeiten beispielsweise zwischen sonntags und einem Wochentag variieren.
In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass man unter anderem im Blick haben müsse, dass Menschen, die im Büro sitzen, häufig keine Videos mit Ton schauen könnten. Die Konsequenz sei: Zu den gängigen Bürozeiten möglichst Videos hochladen, deren Inhalt sich auch ohne Ton erschließt. Der Datenjournalismus sei elementar geworden: „Wenn ich nochmal Journalist werden würde, würde ich Mathe studieren“, erklärt Renners.
Für eine Webreportage braucht man allerdings kein Mathestudium. „Die kann wirklich jeder selbst machen. Das ist kein Hexenwerk“, sagt Renners. Und um seinen Ausführungen Nachdruck zu verleihen, erzählt er von einem Praktikanten, der mithilfe des Tools riddle ein Quiz produziert hat. Das Tool hätte er sich ohne Hilfe erschlossen. Neben riddle stellt Renners schließlich noch andere kostenfreie Tools vor und erklärt deren Funktionsweise. Dazu gehören infogr.am (zum Erstellen interaktiver Karten), line.do (Zeitleisten, die von oben nach unten verlaufen und sich daher besonders für mobile Endgeräte eignen) und Google Fusion (Visualisierung von Daten). Damit man solche Tools wie Google Fusion nutzen kann, braucht man natürlich entsprechende Daten, was nicht immer unbedingt einfach ist. „Oftmals erhält man die Daten zum Beispiel von Verwaltungen als pdf. Das geht gar nicht. Damit kann man nicht arbeiten“, sagt Renners. Doch sei nicht nur das ein Problem. So manche Institution wolle gewisse Daten auch aus politischen Gründen nicht herausgeben. In diesen Fällen rät Renners, sich auf das Informationsfreiheitsgesetz zu berufen, denn „die Daten müssen rausgegeben werden.“ Zudem gibt er den Tipp, die Seite https://fragdenstaat.de/ zu nutzen. Diese helfe dabei Informationsfreiheitsanfragen an Behörden zu stellen.
Uwe Renners hätte noch viel mehr erzählen könne, doch waren die zwei Stunden leider schon längst um. „Schade, es hat so viel Spaß gemacht“, sagt Renners. Ja, das hat es in der Tat.
PowerPoint-Präsentation Uwe Renners
Linkliste:
Tools:
https://www.thinglink.com/action/frontpage
https://juxtapose.knightlab.com/
Beispiele:
http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/franz-josef-strauss-bayreuth-eine-chronik-zum-100
http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/so-tickt-der-bayreuther-wohnungsmarkt_400342
http://reportage.wdr.de/5-jahre-einsturz-koelner-stadtarchiv#3599