Forum Lokaljournalismus 2025
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„Es ist gefährlicher geworden, Journalist zu sein“

(V.l.n.r.) Torsten Kleditzsch, Ivonne Sielaff, Grit Baldauf, Fabian Klaus

Anke Vehmeier, die Leiterin des Lokaljournalistenprogramms der Bundeszentrale für politische Bildung, eröffnete am 11. Juni um 15 Uhr das 27. Forum Lokaljournalismus. Das erste Panel hatte es sogleich in sich: „Lokaljournalismus Ost – echt extrem?“ lautete der Titel. Torsten Kleditzsch, Chefredakteur der Freien Presse aus Chemnitz, moderierte die Runde. Dabei waren Grit Baldauf, Regionalleiterin Mittelsachsen der Freien Presse, Fabian Klaus, Politik-Reporter der Thüringer Allgemeinen aus Erfurt, und Ivonne Sielaff, Leiterin des Reporterpools der Volksstimme und der Mitteldeutschen Zeitung in der Harz-Region.

(Foto: (V.l.n.r.) Torsten Kleditzsch, Ivonne Sielaff, Grit Baldauf, Fabian Klaus)

Inwieweit beeinflussen die politischen Umstände, der Extremismus, die Arbeit im Lokalen? Das gab Kleditzsch als Thema des Panels aus. In der Folge berichteten die Journalistinnen und Journalisten von ihren alltäglichen Erfahrungen mit dem Extremismus in ihrer Region.

Erfahrungen mit Gewalt und Extremismus im Lokaljournalismus

Erschütternd war es teilweise, was Fabian Klaus zu berichten hatte. Er wurde in seiner Arbeit als Journalist bereits körperlich angegriffen. „Es ist gefährlicher geworden, Journalist zu sein in den letzten zehn Jahren“, sagte er. Klaus musste Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, er bekam zum Beispiel Personenschutz bei Demonstrationen. Für seine Arbeit erhielt er den Zivilcourage-Preis der Stadt Jena.

Er wies auch daraufhin, dass es aus dem Westen oft kluge Kommentare über die Entwicklung im Osten gebe. Er frage dann oft: „Ihr merkt aber schon, dass das Problem auch bei euch ankommt?“

Ivonne Sielaff zeigte sich betroffen von den Schilderungen ihres Kollegen. Sie selbst fühle sich aber nicht bedroht in ihrer ländlichen Region. Sie habe nach wie vor die Hoffnung, die Menschen, die jetzt extrem rechts wählen, wieder in die Mitte zurückholen zu können. Menschen, die mit der AfD sympathisieren, treffe man in ihrer Gegend überall, im Umfeld, im Supermarkt. „Das ist befremdlich.“ Sielaff bezeichnete es als „schwierig“, damit umzugehen. „Wir müssen mit ihnen reden, wir dürfen sie nicht totschweigen.“ In ihrer Arbeit will sie mit ihren Kollegen zeigen, dass sie nicht die „Systempresse“ seien, sondern „gute Journalisten“. „Wir packen unseren Bürgermeister, wenn er Misst baut, hart an“, versicherte sie. Die Arbeit verändere sich auf jeden Fall durch den stärker werdenden Extremismus. Auch der Journalismus müsse umdenken, totschweigen gehe nicht.

Baldauf sagte, viele hätten gedacht, ein Phänomen wie die rechtsextreme Gruppierung „Freie Sachsen“ verschwinde einfach wieder. Dem sei nicht hat so. Sie betonte: „Wir stellen uns dem Thema, keiner der Kollegen verweigert sich da. Der Umgang mit der AfD und anderen rechtsextremen Gruppen verlangt von Journalisten ein höheres Maß an Wissen.“ Baldauf plädierte für eine Professionalisierung im Umgang mit der AfD.

Journalistischer Umgang mit Extremismus

„Was ist schwieriger: Mit denen zurechtzukommen, die extreme Politik smart betreiben, oder mit denjenigen, die radikaler auftreten?“, fragte Kleditzsch in die Runde.

Klaus meinte: „Die, die die smart auftreten, sind schwieriger.“ Bei Typen wie Björn Hacke sei der Umgang kompliziert, er wolle anschlussfähiger werden, nehme aber trotzdem Anleihen aus der Sprache des Nationalsozialismus, die man dann zum Teil nicht gleich erkenne. Außerdem sei er rhetorisch gewandt. „Wenn Höcke im Landtag spricht, gibt es viel zustimmendes Nicken.“

Sielaff pflichtete bei: „Viele treten unscheinbar auf oder nett oder bieten einem Kaffee an. Sie haben nicht nur extreme Positionen. Der Extreme entlarvt sich selbst, die anderen sind schwerer zu durchschauen.“

Tipps und Hinweise

Klaus betonte, die AfD sei in der Öffentlichkeitsarbeit einfach besser als die anderen, weil die PR von Berlin aus gesteuert werde. Die selben Anfragen seien dann im ganzen Land auf Bezirks- oder Kreisebene zu finden. Und Social Media? „Bei TikTok und beim Bewegtbild haben die drei, vier Jahren Vorsprung. Die etablierten Parteien haben da sehr stark den Anschluss verpasst.“

Klaus meinte, der Journalismus habe auch Fehler gemacht. „Es gibt im demokratischen Spektrum legitime linke und legitime rechte Positionen. Das Schlagloch in Kleinkleckersdorf ist eben nicht rechtsextrem.“ Man hätte nicht gleich alles in die rechtsextreme Ecke stellen sollen, sagte Klaus.

Sielaff empfahl, mit den Kollegen in der Redaktion zu sprechen, wenn sich eine Verunsicherung zeige. „Keine Angst haben, Hilfe suchen z.B. in der Chefredaktion, sich nicht als Einzelkämpfer fühlen.“ Keiner sei alleine, sagte sie. Der größte Fehler sei: Klein beigeben und sich einschüchtern lassen. Man soll auch zu zweit auf Demos gehen. Wenn Kollegen Angst hätten, von Demonstrationen zu berichten, müsse man das akzeptieren.

Baldauf meinte, es sei wichtig, auf Demos den Kontakt zur Polizei zu halten.
Und man sollte unbedingt auch einen persönlichen Ausgleich suchen. „Man braucht ein Umfeld mit Freunden, das einen demokratischen Kompass hat.“ Der Kreis sei bei ihr kleiner geworden, halte aber stand.

So gab das erste Panel des Forum unmittelbar einen Einblick in die schwierigen Probleme, mit denen sich der Journalismus angesichts eines stärker werdenden Extremismus auseinandersetzen muss.

1 Kommentare

  1. Gerd Backenköhler sagt

    Sehr interessant, vielen Dank!

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