Bei all den Gesprächen über Bürgerwindparks, Biogasanlagen und Dämmstofflobbys fällt eine entscheidende Frage schnell unter den Tisch: Ok, wir hängen uns rein, aber wozu überhaupt? Klimafolgenforscherin Dr. Susanne Nawrath vom Klimahaus Bremerhaven hatte uns heute Morgen die Antwort auf diese Frage ganz klar vor Augen geführt: Um den Klimawandel zu bremsen. Wir sitzen alle sitzen in einem Boot. Das gilt auch für die Lokalberichterstattung.
Es wird definitiv wärmer
Ja, es ist wahr: Wir können erst seit Ende des 19. Jahrhunderts die Temperatur „richtig“ messen, sagte Nawrath. Doch globalen Temperaturen seien seit den 1970ern in einem Maße angestiegen, das sich nicht mit „natürlichen Antriebskräften“ erklären ließe, sondern nur durch „den Menschen“, erklärt Nawrath und fährt mit ihrem Laserpointer über die bunten Kurven von Modellberechnungen und tatsächliche Messungen. Und trotz einiger Klimaskeptiker, die sich an vereinzelte kritische Studien halten, sei sich die Forschungswelt im Allgemeinen auch darüber einig. Seit den 1950er-Jahren läuft wettertechnisch sowievo vieles schief. Wir haben eine Entwicklung in Gang gesetzt, die sich nicht mehr stoppen, sondern höchstens bremsen lässt. „Selbst wenn wir das CO2-Level halten würden, würde die Temperatur noch weiter ansteigen“, erklärt Nawrath. „Und wenn wir so weitermachen wie bisher und den CO2-Ausstoß immer weiter erhöhen, dann ist die Erde schon 20150 um zwei Grad wärmer. Wie es dann 2100 aussähe, will ich mir gar nicht vorstellen.“ Das ist eine harte Ansage. Besonders wenn man bedenkt, dass das Zwei-Grad-Ziel noch lange nicht bedeute, dass zwei Grad für alle Menschen auf der Welt verkraftbar wären.
Folgen des Klimawandels weltweit und in Deutschland
Schon jetzt, bei 0,85 Grad zwingen nämlich Überschwemmungen, Unwetter und Dürren Millionen in die Knie. Das Eis der Arktis und Grönland schmilzt im Sommer mehr als in den letzten Jahren, hinzu kommt die Gletscherschmelze, und heraus kommt dann: unter anderem der Anstieg des Meerespiegels. Aber auch Arten verschwinden, „wir befinden uns in der Zeit des sechsten großen Massenaussterbens, wie bei den Dinosauriern“, sagte Nawrath.
In Ländern wie wie in Bangladesch oder auch Pazifikinseln, können viele Menschen die ihr Leben mit Landwirtschaft oder bestimmten Tierarten bestreiten nicht mehr weitermachen, oder ihre Häuser werden von „extremen Wetterereignissen“ zerstört. 75% der Hitzewellen sind vom Klimawandel beeinflusst und rund 18% des Starkregens und anderer Regen-Katastrophen.
Doch der Klimawandel macht auch vor Deutschland nicht halt. Er ist in den Kommunen und damit im Lokaljournalismus angekommen. „Früher konnte ich immer sagen, das und das wird passieren, heute kann ich zeigen, was passiert“, sagte Nawrath und spricht zum Beispiel über das große Pfingstunwetter das vor einiger Zeit besonders NRW getroffen hat. Überschwemmungen und Hitzewellen sind auch hier Faktoren, die wahrscheinlich vom Klimawandel verstärkt wurden (Hitze ist immer direkter mit dem Klimawandel verbunden als Regen, wo man die Verbindung nicht so einfach feststellen kann). „Haben Sie sich die Bahnstrecken nach den Unwettern mal angesehen? Das ist schlimmer als jeder Streik!“, sagt Nawrath. Solche Schäden zu reparieren kosten ihrzufolge mehr, als dem Klimawandel vorzubeugen. Entgegen vieler Vorurteile rechne sich der Klimawandel also. Wie sehr viele Versicherungsschäden durch den Klimawandel entstanden sind, zeigt zum Beispiel folgende Karte:
Und schon mal festgestellt, dass manche Regionen Deutschland häufiger durchgehend gutes oder schlechtes Wetter haben als früher? Das liegt daran, dass der Klimawandel die sogenannten „Jetstreams“ durcheinanderbringen, also den Wechsel von Hoch- und Tiefdruckgebieten.
Ursachen des Klimawandels bekämpfen
Der größte Bösewicht ist tatsächlich CO2. Auch wenn andere Gase wie Methan den Treibhausgaseffekt noch mehr verstärken, verbrennen wir CO2 einfach in unglaublichen Mengen. Vor Millionen von Jahren war das Klima noch deutlich wärmern und die Luft CO2-gehaltvoller. Die Pflanzen haben das CO2 im Boden gebunden; und wir verbrennen es heute wieder als fossile Brennstoffe. Um die CO2-Emissionen noch halbwegs im Griff zu haben müssten ein Drittel der Ölreserven, die Hälfte der Gasreserven und 80% der Kohle laut einer neuen Studie von McGlade & Ekins im Boden bleiben. Noch sei das machbar, jedoch sollte man dafür laut Nawrath gar nicht mehr Kraftwerke für Kohle oder ähnliches planen, sagte Nawrath. Die Klimawissenschaftlerin setzt ihre Hoffnung selbst eher in bilaterale politische Einkommen als internationale multilaterale, weil da eine Einigung noch eher möglich sei.
Themen und Recherche im Lokalen
Nawrath nannte zwei gute Quellen zur Recherche für Lokaljournalisten:
Zum einen www.klimanavigator.de. Hier finden sich Forschungsinstitute in Deutschland, die sich mit dem Thema Klima beschäftigen – auch die aus der Region, die sich prima als regionale Experten heranziehen lassen.
Auf www.klimafakten.de würden Argumente der Leugner des Klimawandels ausführlich widerlegt.
Und wenn man den eigenen Lesern erklären will, warum es wichtig ist, das Klima zu schützen?
Liste mit Anregungen von Nawrath;
- Verursacherprinzip, historische Verantwortung. Eine Moralkeule, die jedoch stimmt: Wir gehören zu den Hauptverursachen von Emmissionen und damit des Klimawandels, wir sollten uns darum kümmern, dass keine anderen Leute unter unserem Leben leiden müssen
- Deutschland als Vorreiter, alle schauen auf uns. „Ob Deutschland die Energiewende schafft oder nicht, hat zwar alleine nicht soooo den großen Einfluss auf den globalen Klimawandel, aber wenn dadurch mehrere Staaten nachziehen, wäre viel erreicht.“
- Klimaschutz spart Geld für Anpassung und Beseitigung von Schäden
- Klimaschutz schafft auch Arbeitsplätze
- Die direkten gesellschaftlichen Kosten der Luftverschmutzung betragen etwa 23 Milliarden € und die Kosten durch Gesundheitsschäden 330-940 Milliarden € (EU Kommission)
- In den meisten OECD Staaten ist die Anzahl der Menschen, die durch Herz- oder Lungenerkrankungen sterben, die durch Verkehrsabgase verursacht werden, viel höher als die Zahl der Unfalltoten. (OECD)
Zeit, den Klimawandel ins Lokale zu holen!