Forum Lokaljournalismus 2025
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Von Nahbarkeit und Membership

Bild: Meinolf Ellers und Katharina Schmidt (Foto: Marcus Klose, drehscheibe)

„Lokales anders denken“: So lautete der Titel des Abschlussplenums beim 27. Forum Lokaljournalismus. Wie wird das Lokale in ein paar Jahren aussehen? Wird es überhaupt noch Printausgaben geben? Um sich Antworten auf diese und ähnliche Fragen zu nähern, wurden eine Lokaljournalistin eingeladen, die sich völlig von Print verabschiedet hat, und ein Fachmann, der sich um die Digitalisierung einer Agentur kümmert. Auf dem Podium saßen : Katharina Schmidt, Chefredakteurin der Wiener Zeitung, und Meinolf Ellers, Digital-Manager der Deutschen Presse Agentur (dpa). Die Moderation übernahm Swantje Dake, Strategie- und Managementberaterin aus Düsseldorf.

Bild: Meinolf Ellers und Katharina Schmidt (Foto: Marcus Klose, drehscheibe)

Nur noch online

Zum Einstieg in die Runde erzählte Schmidt von der wechselhaften Geschichte der Wiener Zeitung. 1703 gegründet, war sie bis zum 30. Juli 2023 die älteste in Print erscheinende Tageszeitung der Welt. Sie befand sich im Bundeseigentum der Republik Österreich und war das amtliche Veröffentlichungsorgan. „2023 ließ der Bund die Zeitung dann einstellen“, sagte Schmidt. Als Nachfolgeprodukt erscheint seither unter demselben Namen ein nicht tagesaktuelles Onlinemedium, das sich vor allem an ein jüngeres Publikum richtet. Der Umbau in diese multimediale Plattform wurde innerhalb eines halben Jahres bewerkstelligt. Dabei spielt die Internetseite „gar keine so große Rolle“, wie Schmidt sagt. Bedeutender seien der Newsletter, ein Podcast und andere Elemente.

„Wir hatten einfach keine andere Wahl“, sagt Schmidt. „Es war eine Notwendigkeit.“ Die Nutzungsgewohnheiten seien andere geworden: „Junge Menschen konsumieren Journalismus nicht über Webseiten, sondern zum Beispiel über Youtube oder Instagram.“ Über Instagram habe man zum Beispiel einen Aufruf lanciert: Welche Themen interessieren euch vor der Nationalratswahl? „Da erreichten uns viele gute Ideen von jungen Leuten“, sagte Schmidt. Ein Thema war zum Beispiel: „Mein Freund will nicht wählen.“ Andere schlugen das Thema Wahlbeteiligung vor. „Für uns war das ein Testballon, das wollen wir ausweiten.“ Es gehe um „Nahbarkeit und das Fühlen des Journalismus“. Das wurde unter anderem auch praktiziert beim Journalismusfestival „re:think media“, das die Zeitung veranstaltet hat.

Vertrauensräume schaffen

Die „Kommentarfunktion“ in dieser Runde übernahm Meinolf Ellers. „Der erste Lehrsatz der digitalen Transformation heißt: Die Lokalzeitung ist kein Produkt, sondern eine Funktion“, sagte er. Und er betonte: „Solange uns morgens nur quantitative Vorgaben beschäftigen, sind wir auf den falschen Weg.“ Es gehe vielmehr darum, ein oder zwei relevante Themen aufzugreifen, diese dann aber intensiv zu bearbeiten, Themen wie beispielsweise: Wie geht es der Stadt heute morgen?

„Wir beobachten eine Ernüchterung, eine Entzauberung des digitalen Raums“, sagte Ellers. Es sei ein Raum, „der zunehmend Angst macht“. Darauf reagierten die Menschen: „Es gibt eine Sehnsucht nach Vertrauensräumen. Wer wäre besser geeignet als eine Lokalzeitung, diese Vertrauensräume zu schaffen?“ Man müsse eine Botschaft an junge Menschen senden: „Wir sind nicht die verknitterte Zeitung in einer Ecke bei deiner Oma.“

Ein weiterer Lehrsatz der digitalen Transformation sei: „Ran an den Menschen!“ Die wichtigste Frage der 16- bis 17jährigen sei: Was hat das mit meinem Leben zu tun? Es gehe um den „Eins-zu-Eins-Austausch mit Menschen“.

In Sachen künstlicher Intelligenz zeigte Ellers sich skeptisch: „Wenn ich die Energie sehe, die viele Redaktionen für KI aufwenden, weiß ich nicht, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Wir müssen raus zu den Menschen. Es geht über physische Präsenz. Das lässt sich digital nicht ersetzen. Das ist ein grundstrukturelles Problem unserer Branche.“

Man müsse auch weg vom Abo-Modell, hin zum „Membership-Modell“. Auch da stehe zunächst ein Preis, das erinnere zunächst ans Abo. „Aber zum Member gehören zum Beispiel auch Veranstaltungen, Konzerte etc., die fürs Member vergünstigt angeboten werden.“ So erzeuge man eine „hohe Frequenz an Touchpoints mit der Marke“. Kurz gesagt: „Je intensiver der Kontakt, umso stärker ist das Membership.“ So überzeuge man die jungen Leute davon, auf der „gleichen Mission“ zu sein.

Das empfiehlt Ellers auch fürs Lokale. „Wir brauchen eine starke Proposition, die jungen Leute überzeugt, sodass sie sagen: Ich will dabei sein.“ Man sollte ihnen zeigen, „dass hier eine Welt ist, der sie vertrauen können, anders als auf Tiktok“.

Hinweis aus dem Plenum

Luisa Thomé, Leiterin des Ressorts X bei Zeit online, wandte in der anschließenden Diskussion ein, dass es nicht „die jungen Leute gebe, sie seien heterogen. „Ich plädiere dafür, mit ihnen sprechen. Sie können auch auf Bühnen sitzen und diskutieren.“

Dem stimmte Ellers zu: „Es gibt keine Generation, die so heterogen ist wie die heutige Gen Z. Es ist der erste Fehler, wenn wir sagen: die Jugend.“

Mit diesem Ausblick in eine zunehmend digitale Zukunft endete der inhaltliche Teil des 27. Forums Lokaljournalismus in Chemnitz.

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