Die Keynote der Redaktionskonferenz 2017 übernahm Dr. Eberhard Veit, Vorstandsmitglied beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Frankfurt am Main/Göppingen. Sein Vortrag drehte sich rund um das Phänomen der Industrie 4.0 – ein Thema, das auch im Lokalen mehr und mehr an Bedeutung gewinnt.
„Wie verändert Digitalisierung das alltägliche Leben?“ So lautete Veits Ausgangsfrage. Tatsächlich sei sie schon lange im Alltag der Menschen angekommen, erklärte er. So gut wie jeder nutze heutzutage das Smartphone und Social Media. Selbst Kinder seien digital vernetzt, der Nachwuchs würde mit digitalen Technologien aufwachsen.
In Folge führte Veit verschiedene Bereiche des Lebens auf, die sich durch Industrie 4.0-Technologien besonders stark verändern werden.
Veränderungen im Arbeitsalltag und zuhause
Ein erstes Stichwort sei die Veränderung der „Work-Life-Balance“. Für viele Menschen beginne schon jetzt der Arbeitstag morgens mit dem Abrufen von E-Mails, erklärte Veit. Der Arbeitstag beginne durch die digitale Vernetzung generell früher und könne somit produktiver genutzt werden. Dies sei jedoch ein großer Veränderungsprozess, bei dem genau abgewogen werden müsse, was man zulasse und was nicht. Dabei sei es wichtig, auch auf andere Länder zu schauen. Veit prognostizierte, dass durch die Industrie 4.0 in Zukunft viele Arbeiten auch zuhause erledigt werden könnten.
Technologien wie „Smart Mobility“ oder „Smart Home“ würden zukünftig den Alltag erleichtern. Es werde in der Industrie etwa verstärkt daran gearbeitet, autonomes Fahren zu ermöglichen, erklärte Veit. Zudem sorge die Industrie 4.0 auch im eigenen Zuhause für neue Möglichkeiten, etwa, dass durch die Vernetzung von Maschinen zukünftig auch das Einkaufen von Lebensmitteln automatisiert ablaufen könne. E-Health-Technologien ermöglichten die technologische Analyse des eigenen Gesundheitszustandes. Im Auto gebe es schon jetzt Sensoren, die etwa die Müdigkeit des Fahrers feststellten. „All diese Themen werden sich in ein gemeinsames Ganzes verknüpfen und das wird schneller kommen, als wir alle denken“ schloss Veit.
Maschinen als gleichberechtigte „Arbeitskollegen“
Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine werde sich stark verändern, erklärte Veit. Moderne Interfaces ermöglichten etwa die direkte Verbindung von Gehirn und Computer. Außerdem seien die Maschinen der Zukunft enorm lernfähig, ein Auto könne lernen, von selbst einzuparken. Es werde Küchengeräte geben, die sich Kochvorgänge merken könnten. Die Mensch-Maschine-Schnittstelle sei eine große Herausforderung, werde aber vor allem auch die Sicherheit im Alltag verbessern, befand Veit.
Zukünftig werde die Arbeitsmaschine nicht mehr nur Anweisungen vom Menschen ausführen, sondern sei viel mehr ein gleichberechtigter Kollege. Sie könne beispielsweise auf Fehler im Arbeitsablauf hinweisen und so die Effektivität erhöhen. Dafür seien jedoch internationale Standards notwendig. In Europa haben man sich bereits auf einen gemeinsamen Standard geeinigt, der in Deutschland entwickelt worden sei. Das Gerüst stehe global, was riesige Chancen ermögliche. Bezüglich gemeinsamer Sicherheitsnormen bestehe jedoch noch großer Nachholbedarf. „Die Risiken für Missbrauch sind noch relativ hoch“, erklärte Veit. So gebe es etwa ständig Hackerangriffe auf die Daten von Krankenhäusern.
Wer nicht digitalisiert, verliert
Noch gebe es hinsichtlich der Vernetzung große Unterschiede zwischen den Ländern. Es sei wichtig hier einen Gleichklang herzustellen. Die Märkte würden so generell enger zusammenrücken, es gebe zukünftig keine Heimatmärkte mehr. Generell würden die Unternehmen, die bei der Digitalisierung nicht mitmachten, auf Dauer vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. „Wenn Produkte nicht digital angebunden sind, werden sie unattraktiv“, meinte Veit.
Prognosen zufolge würden durch die Industrie 4.0 etwa gleich viele Arbeitsplätze wegfallen, wie auf der anderen Seite neue Jobs entstünden. Angesichts der neuen Technologien müssten die Menschen jedoch verstärkt umgelernt und trainiert werden.
Mangelnde Investitionen in Bildung
Veit kritisierte die mangelnden Investitionen in Bildung. Das Verhältnis der Investitionen in Technologien und in die Aus- und Weiterbildung von Arbeitnehmern müsse viel ausgeglichener sein, als es derzeit der Fall sei. Es bestünde hier ein dringender Verbesserungsbedarf: Die Arbeiter müssten zukünftig dazu in der Lage sein, Arbeitsdaten zu analysieren und zu interpretieren.
Grundsätzlich sollten Führungskräfte den Wandlungsprozess in ihren Firmen selbst vorantreiben, eine neue Firmenkultur schaffen und die Digitalisierung selbst vorleben
Noch teilten sich die Menschen in Digitalisierungsbefürworter und -Gegner. Viele erfreuten sich der neuen Möglichkeiten, genauso hätten viele Angst davor, ihren Job an Maschinen zu verlieren. Veit betonte, dass die Digitalisierung gemeinsam mit den Arbeitnehmern erarbeitet werde und keineswegs als „Jobkiller“ betrachtet werden müsse. An der Entwicklung in Deutschland sei etwa die IG Metall sehr stark beteiligt. Grundsätzlich würden immer mehr Menschen die Digitalisierung als Chance sehen. Das Thema gehe alle an, befand Veit.
Auswirkungen auf den Lokaljournalismus
Aus dem Publikum wurde das Problem benannt, dass der Lokaljournalismus bezüglich der Industrie 4.0 häufig wenige Ansprechpartner habe, die Politik würde sich häufig wegducken. Wie können Lokaljournalisten ihren Lesern erklären, was durch die Industrie 4.0 genau passiert?
Veit bestätigte die inhaltliche und kommunikative Überforderung der Politik und auch der Hochschulen. Seine Empfehlung: Firmen vorstellen, die es gut machen. Man könne Industrie-4.0-Veränderungen am besten anhand von Einzelbeispielen greifbar machen.
Eine weitere Frage befasste sich damit, inwiefern Maschinen auch die Arbeit von Journalisten gefährden, beziehungsweise erleichtern könne.
Veit sieht Möglichkeiten, die Recherche durch Automatisierungen zu verbessen. Die Arbeit der Journalisten sei nicht gefährdet, da das Menschliche, Emotionale einen wichtigen Teil des Journalismus ausmache und nicht verloren gehen dürfe. Die Automatisierung werde dies nicht gefährden, sondern vielmehr stärker betonen.