Drehst du noch oder tippst du schon? Wenn es nach den Herstellern für Heizungen geht, sind klemmende Ventile und Last-Minute-Aufheizaktionen bald Geschichte. Stattdessen sollen wir unser Smarthome demnächst per App einstellen und automatisch in unsere persönliche Wohlfühl-Welt verwandeln können. Und das effizient und klimafreundlich. Jörg Schmidt, Pressesprecher von Viessmann, nannte das in seinem Vortrag heute Nachmittag „Hausautomation“. Aber kann sich so etwas wirklich durchsetzen? Und ist es gut, dass höchst private Daten über unserer Wohnen, unser Leben erzeugt werden, wo doch prinzipiell nichts mehr als sicher gelten kann?
Schmidts Präsentation [PDF]
Der Hersteller Viessmann bietet Heizsystemen, Kühlsysteme und Industriesysteme, stellte Schmidt, in feinster PR-Manier seinen Arbeitgeber vor. Kurz: Das Unternehmen bringt die Dinge auf Temperatur. Er warf ein Bild eines retro aussehenden, orangenen Heizkessels vor einem fleckigen Hintergrund an die Wand. „Das ist die traurige Realität in vielen deutschen Heizungskellern. So etwas produzieren wir seit 20 Jahren nicht mehr. Hier werden 30 Prozent zu viel Energie verbraucht.“ Von 20 Millionen Heizungsanlagen im Gebäudebestand seien mindestens zwei Drittel modernisierungsbedürftig, sagte Schmidt.
Dann spielte er einen kurzen Film ab, den er live kommentierte. Wir sehen ein, wie er sagt , „ganz normales Haus“ (das unter Photovoltaik-Platten begraben ist und in seiner weißen Abstraktion so aussieht, wie von Apple designt). Nennen wir das Smarthomesystem im Haus einfach „Steve“.
Der Wecker in dem Modell-Haus steht kurz davor zu klingeln. Steve stellt den Heizung an, die Fußbodenheizung auch, es soll ja kuschelig sein. Der/die Hausbewohner, nennen wir sie „Claudia“, steht auf, geht ins Bad, das Radio springt per Funk automatisch an. Erst jetzt geht die Wasserzirkulation unter der Spüle an – weil es erst jetzt benötigt wird, sonst würde die Erwärmung ja nur unnötig Energie erzeugen. Und wenn Claudia nun findet, dass Steve nicht so gut geheizt hat? „Sie können jederzeit händisch in das System eingreifen, das System macht danach einfach wie eingestellt weiter und regelt bei einem offenen Fenster zum Beispiel auch runter“, versichert Schmidt. Und wenn man ein Fenster aufmacht, registriert Steve das und synchronisiert die Daten mit der App. Dann kann Claudia selbst von der Arbeit aus sehen, ob sie das Fenster aufgelassen hat. Aber Steve reagiert nicht nur. Er agiert auch. Die Sonne scheint, die Wärmepumpe geht an, denn Steve weiß, dass die Photovoltaikanlage an einem sonnigen Tag was leisten kann. Als Claudia nach Hause kommt, geht das Licht automatisch an, der Fernseher auch, wie von ihr eingestellt. Das gemachte Nest wartet. Und das alles genau zu dem Zeitpunkt, an dem man es braucht. Und am Ende geht alles wieder aus.
Messen lässt sich so ziemlich alles. Schmidt zückt sein iPad und zeigt ein paar Tabellen, Temperatur, offene Türen und Fenster, Energieverbrauch, Photovoltaik-Jahresbilanzen . „Ist das ihr Haus?“ „Na, das hätten Sie jetzt wohl gerne! Mal sehen, was meine Frau macht…“, und wischte zwischen den virtuellen Räumen des Hauses hin und her. „VitoComfort SmartHome System“ nennt Viessmann sein System. Die Kommunikation läuft über Funk. Andere Anbieter wie Gira verwenden Kabel. Jemand aus den USA hat das System auf die Spitze getrieben, erklärte Schmidgt enthusiastisch, das Haus würde sogar die richtige Bruce Springsteen Platte auf Kommando spielen.
„Alles was Sie sehen ist stand der Technik, aber es hat lange nicht durchgesetzt. Die Frage ist nur: Brauchen wir das? Wie viel kostet es? Was nützt es?“, fragte Schmidt selbstkritisch.
Kosten sind ein guter Punkt. Die Anlagen, wie Schmidt sie beschrieben hat, würden etwa 1500 Euro kosten, und je nach Heizkosten hätte man das dann nach fünf, sechs Jahren schon wieder raus. Besonders energieeffizient seien solche Anlagen im Vergleich dann, wenn man noch mit Ölheizungen heize. Wenn jemand aber eh schon so viel Öko wie möglich im Haushalt hat, dann liege der Vorteil vor allem bei Komfort und Sicherheit (zumindest insofern man den Leuten vertraut, die ebenfalls auf der App sehen, ob Claudia das Fenster aufgelassen hat). Komfortabel ist das vor allem für den Nutzer. „Können normale Heizungsmonteure überhaupt damit umgehen?“, fragte ein Teilnehmer.
Und hier ist ein Knackpunkt: Eher nicht. Aber er muss sie beherrschen. Viessmann hat extra dafür eine Akademie gegründet. Nur müssen die Handwerker selbst auch sehen und daran glauben, dass sich die Technik durchsetzt, um den Fortbildungsbedarf zu verspüren.
Die wichtigste Frage, gerade in Zeiten vom NSA-Skandal, ist aber die nach der Datensicherheit. Und diese Frage wurde auch am heißesten diskutiert. Ein Journalist fragte, wer die Daten denn hat. Welche Temperatur das Haus hat, welche Fenster offen sind. „Wissen SIE das alles?“
„Der Server weiß das“. Jemand im Plenum lacht. Kurze Pause.
„Ok, also theoretisch wissen wir das“, räumt Schmidt ein. „Aber wir haben den Zugriff nicht, solange Sie ihn nicht erlauben. Sie können einem Fachhandwerker die Erlaubnise erteilen. Das ist alles SSL verschlüsselt, es ist VDI-zertifiziert.“ VDI-zertifiziert heißt: Ja, man hat mal Hacker darauf angesetzt und dann bewertet, wie gut sich das System hält. Vergleichbar ist das in etwa mit einem Fahrradschloss: es gibt solche, die man schon mit einer Küchenschere durchschneiden kann. Für andere braucht man drei Minuten mit dem Bolzenschneider. Und für andere fünfzehn Minuten. Irgendwann kommt jeder durch, die Frage ist nur, ob der Aufwand es wert ist. Und VDI-zertifiziert heißt schon mal, dass man schon eine gewisse Zeit investieren müsste. „Rein theoretisch kann aber jedes System geknackt werden. 100% Sicherheit kann Ihnen keiner geben“, sagt Schmidt.
„Also wenn sich da jemand einhackt, kann ich dann mein Fenster nicht mehr aufmachen?“, fragt eine Teilnehmerin. So dramatisch sei es voll nicht. Per Hand könne man noch alles regeln, und selbst wenn der Strom ausfallen und nichts mehr funktionieren würde, dann passiere genau das: nichts. Also: Angst davor, im Haus eingesperrt zu werden, müsse man nicht haben.
Aber Angst vor dem Missbrauch von Daten?
Kürzlich hat Google einen Thermostat-Hersteller gekauft. Damit könnte Google auch bald Smarthome-ähnliche Anwendungen anbieten. Benutzerprofile bilden. Und dann könnte gespeichert werden, wann beim Ehepaar Müller abends im Schlafzimmer die Heizung angeht. Klar, kann man auch Sensoren in Toilette und den Kühlschrank einbauen, und wenn das Klo dann feststellt, dass eine Frau schwanger ist, gibt der Kühlschrank kein Bier mehr heraus. Oder die Krankenkasse wird informiert. Oder der Arbeitgeber.
„Dazu könnte es kommen, wenn wir es wollen, oder wenn wir es aus Bequemlichkeit mitverkauft bekommen“, sagt Schmidt“. „Dazu kann es kommen, wenn wir es in Kauf nehmen. Es ist unsere Entscheidung.“
Und um das zu entscheiden, ist es wichtig, informiert zu sein – zum Beispiel, mithilfe des Lokalblatts.