Wenn ein Flüchtling nach Deutschland kommt, stellt er einen Asylantrag. Aber was passiert dann? Wie die Herkunft festgestellt werden kann, wie die Entscheidung über den Antrag abläuft und wo die Probleme liegen, berichteten Ramona Specht und Julia von der Burg vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
„Das Annehmen der Asylanträge der Menschen, die zu uns gekommen sind, war angesichts der Zahl eine ganz große Herausforderung. Wir waren mittendrin im Auge des Orkans – auch was die Wirksamkeit in der Öffentlichkeit anging.“ Wenn Julia von der Burg vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über den Sommer 2016 redet, spricht sie von großen Problemen, mit denen die Behörde konfrontiert war und stellt gleich eines klar: Das BAMF kümmert sich nicht nur um die Bearbeitung von Asylanträgen, sondern hat insgesamt vier Arbeitsbereiche.
- Asyl
Neben den Asylverfahren, fallen unter diese Säule auch Resettlement (direkte Aufnahme von Flüchtlingen aus Krisenregionen), humanitäre Aufnahme und Relocation (Umverteilung innerhalb der EU) Programme sowie Rückkehrförderung. Aber: „Wir haben nichts damit zu tun, abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimatländer zurückzuführen. Das ist Ländersache, bei uns geht es um Rückkehrinformation. Wir haben z.B. eine Website ‚Returning vom Germany‘ oder eine Hotline, wo man sich Informationen holen kann.“ Eine Rückkehrberatung sei das nicht, dafür seien die Kommunen zuständig.
- Migration
Das BAMF unterhält eine eigene Forschungsabteilung, die sich mit den Themenkomplexen Migration, Integration und Demographie auseinandersetzt. Die Ergebnisse werden als Forschungsberichte, Kurzanalysen oder working papers veröffentlicht.
- Integration
Neben den bekannten Integrationskursen, in denen neben Grundwerten und Grundrechten auch Deutschkenntnisse vermittelt werden, fördert das BAMF Integrationsprojekte und bietet eine Beratung für Migranten an (Wie finde ich mich in Deutschland zurecht?).
- Querschnitt
Die Beratungsstelle Radikalisierung ist ebenfalls beim BAMF angesiedelt und bietet Unterstützung an, wenn sich Menschen im eigenen Umkreis radikalisieren. „Jeder kann sich daran wenden und Beratung bekommen, wie man damit umgeht. 2016 hat es über 1040 Anrufe gegeben, 2017 noch über 750. Das ist immer noch ein sehr hohes Niveau“, betont von der Burg. In gut einem Drittel der Gespräche sind die Informationen sicherheitsrelevant und werden an die entsprechenden Behörden weitergegeben.
Woher kommst Du?
Eine der ersten Fragen zu Beginn eines Asylverfahrens ist die Frage nach der Herkunft. Denn nur so lässt sich klären, ob eine Person Anspruch auf Schutz hat, weil sie in ihrem Heimatland politisch verfolgt oder die Lage dort generell lebensbedrohlich ist. „Entweder hat die Person Papiere dabei. Dann würden wir prüfen, ob die echt sind oder nicht“, erklärt Julia von der Burg. „Wenn der Mann oder die Frau sagt: ‚Ich habe keine Papiere mehr, ich habe die verloren, ich habe nie welche gehabt‘ oder ‚ich musste die zu Hause lassen, weil ich sonst Schwierigkeiten auf der Flucht gehabt hätte‘ dann müssen wir natürlich trotzdem herausfinden, welche Nationalität dieser Mensch hat.“ Nur so sei es möglich, die Fluchtgeschichte zu prüfen, aber auch eine spätere Rückführung zu ermöglichen. Zur Prüfung der Nationalität setzt das BAMF drei Methoden ein:
- Spracherkennungssoftware: Die Flüchtlinge beschreiben ein Bild und die Software analysiert die Sprache auf typische Dialekte. Wenn ein Flüchtling behauptet aus Syrien zu kommen, aber einen nordafrikanischen Dialekt spricht, stellt das seine Fluchtgeschichte in Frage.
- Namenstransliteration: Der Name des Flüchtlings wird in lateinischen Buchstaben festgehalten. Dadurch lässt sich die Namensherkunft bestimmen und eine Mehrfachmeldung unter verschiedenen Namen verhindern.
- Handyauslese: Dabei wird ermittelt, in welcher Sprache auf dem Handy kommuniziert und an welchen Orten es in der Regel benutzt wurde.
Die Prüfung und Entscheidung über einen Asylantrags liegt beim BAMF in den Händen einer einzelnen Person. Um Willkür zu verhindern, gibt es am Ende eine Kontrolle durch einen weiteren Mitarbeiter, ob das Verfahren korrekt abgelaufen ist. Im Mittelpunkt stehen dabei die individuellen Fluchtgeschichten, die in persönlichen Anhörungen der Flüchtlinge geprüft werden. Um die überprüfen zu können, werden die Mitarbeiter von der eigenen Forschungsabteilung geschult, welche Minderheiten es in den Ländern vor Ort gibt und wie die politische Lage aussieht.
Asyl, subsidiärer Schutz oder Rückführung?
Am Ende des Verfahrens bekommen die Flüchtlinge, wenn ihr Antrag nicht abgelehnt wurde, Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz.
„Beim Flüchtlingsschutz ist konkret dieser Mensch bedroht, weil er z.B. eine bestimmte politische Überzeugung hat“, erklärt von der Burg. „Beim subsidiären Schutz droht dem Mensch an sich nichts, aber es ist beispielsweise Bürgerkrieg. Ein Fluchtgrund könnte sein: Es ist Krieg und ich habe Angst um meine Familie, in meiner Straße ist eine Bombe heruntergekommen und die Häuser an der Straßenecke sind zerstört und wir können da nicht mehr leben.“
Die Unterscheidung ist wichtig, denn der subsidiäre Schutz gilt nur solange, bis die Situation sich vor Ort wieder entspannt hat. Deswegen klagt rund jeder zweite Flüchtling, dem nur subsidiärer Schutz zugesprochen wurde.
Herausforderungen
Das BAMF hat in den letzten drei Jahren mehrere Herausforderungen meistern müssen:
- Hohe Personalfluktuation
Während im März 2015 nur 2600 Personen Vollzeit für die Behörde arbeiteten, waren es im Oktober 2016 schon 10.000. Heute hat sich die Zahl wieder fast halbiert auf 6.600.
- Standortexplosion
Durch die vielen Flüchtlinge, die es deutschlandweit zu registrieren und zu verteilen galt, gibt es neben der Zentrale in Nürnberg und den klassischen Außenstellen, mittlerweile einer Vielzahl an Standorten von Ankunfts- bis Entscheidungszentren.
- Organisationswildwuchs
Der starke Personalzuwachs, die vielen neuen Standorte und die Veränderung und Neubildung von Zuständigkeiten hat die Strukturen innerhalb der Behörde verändert und verkompliziert.
- Integration
Das BAMF versucht die Integration der Flüchtlinge in Deutschland zu fördern. Dafür gibt die Behörde Infomaterialien heraus wie die App „Ankommen“, initiiert und fördert Projekte und kümmert sich um Integrations- und Sprachkurse. Da sich die Zusammensetzung der Flüchtlinge ständig verändert, müssen sich die Integrationskurse ständig verändern. Denn Flüchtlinge aus der EU haben einen völlig anderen kulturellen Hintergrund als Flüchtlinge aus dem arabischen Raum.
Aktuelle Schwerpunkte des BAMF
„Wenn ich einen Deutschkurs gemacht habe, muss ich trotzdem noch den Weg in den Arbeitsmarkt finden“, erklärt Ramona Specht vom BAMF. „Deswegen gibt es Konzepte, die gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit laufen. Da geht es um die Kombination von Integrationskursen und praktischen Berufsangeboten oder speziellen Berufssprachförderkursen.“ Das BAMF hat also auch in Zukunft viel zu tun, denn die Integration der Flüchtlinge hat gerade erst begonnen.