Jetzt kommt Leben ins überfüllte Gruppenarbeitszimmer. „Wie können wir Social Media für Recherche und Themenfindung nutzen“ lautet die (endlich mal hinreichend konkrete) Leitfrage. Auch eine Leidfrage, wie sogleich ein desillusionierender Einwurf klarmacht: „Da muss man sich mitunter durch einen Haufen Schrott wühlen und steht am Ende ohne brauchbares Ergebnis da.“ Gleich ausprobieren: Auf der Twitter-Webseite nach der Lieblingskommune suchen, nach Hanau. In Echtzeit sieht man jetzt Einträge mit diesem Begriff: Ein Radiosender warnt vor Blitzern, das Seniorenbüro lädt zur Dampferfahrt und Melissa zu gemeinsamen Badespielen …. Och nööö.
Solch Abfrage scheint nicht in jedem Fall und überall als tägliche Standardroutine empfehlenswert. Aber die Kollegen haben bessere Tipps und Erfahrungen auf Lager. Aus einem bis dato unbekannten Kometen, der vorbeizischte und bei Amsterdam im Meer versank, wurde eine Exklusiv-Geschichte, nachdem sich über Twitter weitere Menschen fanden, die das Phänomen beobachtet hatten. Gleich drei Experten meldeten sich, um einen arabischen Text zu übersetzen, nachdem die Redaktion einen Hilferuf getwittert hatte.
Weitere ermutigende Beispiele: Auf die Twitter-Kurznachricht vom Interview-Besuch beim dienstältesten Bürgermeister der Welt meldet sich eine Leserin, twittert zurück, dass ihr Opa aus dem selben Ort stammt usw. Am Ende wird ein Schatz gehoben. Auf Opas Dachboden finden sich Fotos, die das Dorfleben in den 30er Jahren dokumentieren und nun veröffentlicht werden können. Apropos Fotos: Das Aufmacher-Bild vom Großbrand neulich auf dem Bauernhof war schon auf der Seite platziert, als der Redaktionsfotograf gerade erst losgefahren war: Es stand schon online bei Twitter.
Nun sprudeln die Ideen: Suchen zu bestimmten aktuellen Themen können hilfreich sein. Und wie, wenn wir uns für Recherche und Themenfindung mit gezielten Fragen an die Leser wenden, die uns bei Twitter folgen? Für die Reportage zum Schulanfang könnte man so endlich die Familie mit Drillingen finden, die gleichzeitig eingeschult werden. „Auch haben wollen“ steht jetzt auf manche Stirn geschrieben (nein, nicht Drillinge, bloß den Twitter-Zugang). Nur die Minderheit kennt sich damit aus. Also erst noch Schnellkurs und die Erkenntnis, dass die Theorie hier nicht genügt. Fazit: Man muss einfach mal ein bisschen spielen.