Autor: Alexander Polaschek

Der richtige Dreh

Die Hauswirtschaftschefin von Haus St. Ulrich ist glücklicherweise äußerst hilfsbereit: Sie händigt mir einen wunderschöne Wischmobstiel aus, Alu, Teleskopausführung, genau richtig für die Zwecke der AG Online-Recherche. An der Rezeption schnorre ich eine Rolle Klebeband. Wir brauchen Zubehör für unsere Dreharbeiten (nein, es wird niemand gefesselt und geprügelt, die Infos zu unserem Wirtschaftskrimi um die Brauereien Projekt- und Fuchs-Bräu haben wir elegent, legal und ganz ohne Druck aus dem Web bezogen). Not macht eben erfinderisch. Das ist eigentlich ein schönes Sinnbild für diese Woche: Wir sind hier, weil wir wissen wollen, ob es ein Leben nach dem Papier gibt und für wen und was dazu qualifizieren könnte. Verlage sind in (Reichweiten-)Not und merken allmählich, dass sie was erfinden müssen. Hier wird es wenigstens versucht. Motto: Ideen first. Schauen wir mal, was aus einem Wischmobstiel alles werden kann … Gespräch bei Tisch: Ist es wirklich sinnvoll, sich jetzt mit viel Aufwand für I-Pad-Apps der Zeitungen zu engagieren. Nur wenige Leute besitzen solch ein Gerät. Andererseit: So ähnlich haben die Strategen in den Verlagen wohl auch gedacht, …

AG Online-Recherche

Jetzt kommt Leben ins überfüllte Gruppenarbeitszimmer. „Wie können wir Social Media für Recherche und Themenfindung nutzen“ lautet die (endlich mal hinreichend konkrete) Leitfrage. Auch eine Leidfrage, wie sogleich ein desillusionierender Einwurf klarmacht: „Da muss man sich mitunter durch einen Haufen Schrott wühlen und steht am Ende ohne brauchbares Ergebnis da.“ Gleich ausprobieren: Auf der Twitter-Webseite nach der Lieblingskommune suchen, nach Hanau. In Echtzeit sieht man jetzt Einträge mit diesem Begriff: Ein Radiosender warnt vor Blitzern, das Seniorenbüro lädt zur Dampferfahrt und Melissa zu gemeinsamen Badespielen …. Och nööö. Solch Abfrage scheint nicht in jedem Fall und überall als tägliche Standardroutine empfehlenswert. Aber die Kollegen haben bessere Tipps und Erfahrungen auf Lager. Aus einem bis dato unbekannten Kometen, der vorbeizischte und bei Amsterdam im Meer versank, wurde eine Exklusiv-Geschichte, nachdem sich über Twitter weitere Menschen fanden, die das Phänomen beobachtet hatten. Gleich drei Experten meldeten sich, um einen arabischen Text zu übersetzen, nachdem die Redaktion einen Hilferuf getwittert hatte. Weitere ermutigende Beispiele: Auf die Twitter-Kurznachricht vom Interview-Besuch beim dienstältesten Bürgermeister der Welt meldet sich eine Leserin, …