Eine besondere Einlage genießt gerade die Arbeitsgruppe zu Qualitätsjournalismus: Per Skype unterhält sie sich mit Philipp Ostrop, Leiter der Lokalredaktion der Ruhr-Nachrichten in Dortmund. Die Ruhr-Nachrichten messen ihre Qualität mit einem ganz besonderen Tool namens Cockpit: Es versucht anhand von Stichproben die handwerkliche Qualität von Artikeln zu bestimmen.
In Dortmund nimmt sich die Redaktion mit dem Tool gerade vier Seiten vor und wählt fünf oder sechs Elemente davon aus, wie Aufmacher, Fotos und einzelne Meldungen. Seit einem halben Jahr werden einzelne Lokalredaktionen immer mal wieder „cockpetisiert“. Diese wissen vorher übrigens Bescheid, wann das sein wird und welche Kriterien dabei zur Anwendung kommen. Zum Beispiel, wie viele unterschiedliche Stilformen die Texte abdecken. Für Cockpit wurde ein Kriterienkatalog entwickelt, der in „Codes“ übersetzt auf die Arbeit angewendet wird. Diese Codes sind entweder binär – also mit den Antwortmöglichkeiten Ja/Nein – oder können auch als Punkte verteilt werden. Theoretisch gibt es 100 Punkte, ab 60 Punkte ist man im grünen Bereich. Die volle Punktzahl für eine Ausgabe gilt als unerreichbar, sagt Ostrop. Auch in kleineren Redaktionen sei das Tool seiner Meinung nach umsetzbar, wobei man auch das Selbstbewusstsein haben müsse, die Ergebnisse kritisch zu diskutieren.
Macht man den Leser denn auch glücklicher damit?, möchte ein Teilnehmer wissen.
„Eine Seite kann handwerklich total gut sein, aber auch langweilig, wenn das Thema für die Leser nicht relevant ist“, antwortet Ostrop. Es verbessere aber auf jeden Fall das Bewusstsein für journalistisches Handwerk und infolgedessen auch die handwerkliche Qualität von Artikeln selbst. Das ist doch schon mal nett. Die Redaktion rede am Ende intensiv darüber, was bei Cockpit rumgekommen ist, sagt Ostrop: Die Einzelauswertung, die in die Redaktionen geht, löse „große Reaktionen aus“. Folgen wie Schulungen oder Neueinstellung habe Cockpit bisher aber noch nicht nach sich gezogen. Stattdessen setze die Redaktion auf Sensibilisierung durch die Prozedur selbst. Da es sich aber immer nur um Stichproben handle, sei das Tool auch weder geeignet noch vorgesehen um einzelne Kollegen zu bewerten. „Es ist immer ein guter Ansatz um die Qualität der Zeitung zu diskutieren. Unsere Punkte, die wir bei Cockpit erzielt haben, sind immer besser geworden.“
Die Gruppenmitglieder haben alle fünf Kriterien für journalistische Qualität definiert. Yvonne Backhaus vom Hanauer Anzeiger, Leiterin der Arbeitsgruppe, möchte wissen, was seine lauten. Ihm fallen vier ein.
- Hoher Servicecharakter
- Stadtgespräch sein
- Gattungsmix
- Verschiedene Zielgruppen erreichen/Themenmix
Eine wichtige Frage ist natürlich, ob Cockpit übertragbar ist: Ja, das ist es. Wer Cockpit ausprobieren will, könne bei der Redaktion bzw. mein Medienhaus nachfragen.
Offen bleibt für die Gruppe, ob Sensibilisierung genug der Konsequenz ist. Ob man nicht aufstocken, schulen, was unternehmen müsste. Oder ob solche Evaluationen nicht dazu führen könnten, dass einzelne Redakteure, die eher niedrige Punkte erzielen, unter Druck geraten.
Man sei ja schließlich keine standardisiert arbeitende Maschine, bemerkt ein Teammitglied nach dem Interview.