Di Lorenzo findet es „erstaunlich, wie sich unsere Branche seit einigen Jahren in der Öffentlichkeit darstellt“. Er beobachte ein „Schlechtreden der eigenen Produkte“. Es erhebe sich ein „Kassandrischer Chor“, das Internet werde gepriesen als „allein selig machendes Medium der Zukunft“. Das Schlimmste, was derzeit geschehe, sei die Selbstbeschädigung.
Di Lorenzo zeigte sich überzeugt: „Das Untergangsgerede ist in der Sache einfach falsch.“ Wir hätten in Deutschland die besten und unabhängigsten Medien der Welt, die Vielfalt sei nach wie vor groß. Sein Appell, die Selbstdemontage zu beenden, habe mit Schönfärberei nichts zu tun. Die Menschen würden nach wie vor gerne lesen. Auch junge Leute. Auf die müsse man sich konzentrieren.
Es sei zweitrangig, wie die Leser erreicht würden – über Papier oder iPad. Die Aufgabe bestehe darin, Inhalte auch in der digitalen Welt zu monetarisieren. Ideen seien gefragt, auf veränderte Gewohnheiten der Leser zu reagieren. Dabei solle man die Leser nicht für dumm verkaufen. Sparrunden seien keine Qualtiätsoffensiven. Man solle auch nicht aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen.
Gegen den Begriff der Paywall
Für Aufsehen sorgte Di Lorenzo mit seiner Kritik am Begriff „Paywall“. Er sei nicht gegen das Prinzip, und grundsätzlich sei es gut zu experimentieren. Allerdings solle man auch nicht zu viel Hoffnung darauf setzen. Vor allem treffe man damit die Stammleser, nicht die Leute, die zufällig über Google auf der Seite landen. „Wir bitten ausgerechnet unsere treuesten Leser zur Kasse“, meinte di Lorenzo. Der Begriff Paywall sei im übrigen eine „primitive Wortwahl“.
Kritik am Gleichklang in den Medien
Aber auch inhaltliche Kritik am Journalismus kam in Di Lorenzos Rede nicht zu kurz. Vor allem bereite ihm der Gleichklang Sorge, den er in den Medien wahrnehme. Dieser komme aus der eigenen Mitte. So neigten die Medien dazu, sich an die Spitze der „Nörgler und Rumhacker“ zu stellen. Di Lorenzo kritisierte zum Beispiel den Umgang mit Spitzenpolitikern. Kritischer Umgang sei ein Fortschritt, per se richtig sei es auch, von herausragenden Persönlichkeiten Werte einzufordern. Gefährlich werde es aber dann, wenn die „Reinheit des Herzens jedes einzelnen“ gefordert werde. Es zeige sich immer wieder derselbe Mechanismus. Vor allem die Dauer der anhaltenden Kritik führe oft zu Rücktritten, die Schuldfrage werde erst im Nachhinein geklärt. So werde zunehmend der Souverän entmündigt – der Wähler.
Das habe verheerende Folgen für unsere Demokratie. Begabte würden die Politik meiden. Sie wollten sich Dauerverurteilungen nicht aussetzen. Vernichtende Kritik schrecke viele fähige Leute ab, in die Politik zu gehen. Kurzfristige würden Ressentiments bedient. Es gehe nicht um Mitleid für Politiker, sondern um grundlegenden Respekt. Kritik dürfe nicht in Verachtung umschlagen. Viele Politiker würden nichts mehr sagen, sondern nur noch strategische Kommunikation betreiben.
Das Phänomen betreffe inzwischen auch Journalisten. Viele hätten zunehmend Angst, sich außerhalb des Mainstreams zu positionieren. Umso mehr brauche man mutige Journalisten – egal ob es um Lokalpolitik oder Weltpolitik gehe. „Die Wächterfunktion lässt sich nicht an Twitter delegieren.“ Ein klares Statement zum Schluss einer eindringlichen, mutmachenden Rede.