In der veränderten medialen Landschaft suchen Zeitungen nach neuen Impulsen. Dabei erhält die Interaktivität zwischen Machern und Konsumenten eine neue Qualität. Eine elfköpfige Arbeitsgruppe unter Leitung von Axel Bürger sucht im Rahmen des Modellseminars für Journalisten „Das Netz ist lokal“ der Bundeszentrale für Politische Bildung in Augsburg nach Ansätzen, wo und wie Interaktivität sinnvoll aufgebaut werden kann. Ziel ist der mediale Mehrwert, die Imagepflege und die Bindung der Menschen an die Marke des Publikationsunternehmens.
Am Beispiel einer geplanten Hauptschulschließung entwickeln wir die Dramaturgie interaktiver medialer Arbeit. Der Fall: Wir erfahren am Montag von einem Gutachten, das die Schließung eines von zwei Hauptschulstandorten wegen rückläufiger Schülerzahlen empfiehlt. Am Donnerstag soll der Schulausschuss darüber beraten.
Initialzündung ist eine Onlinemeldung um 22 Uhr (wg. Konkurrenz), gleichzeitig werden Twitter, Facebook, Schüler VZ bedient. Am Dienstag folgt eine umfangreiche Berichterstattung für Mittwoch, teilweise online vorveröffentlicht mit Online-Voting (Querverweis im Printmedium). Wir Organisieren ein Lesertelefon mit dem Gutachter und eine Podiumsdiskussion mit Experten. Kontaktaufnahme mit Schulleitung, Elternvertretung, evtl. türk. Kulturverein, Schülerzeitungsredakteure sollen als Schülerreporter in Aktion treten (für Print und Blog). Die Berichterstattung wird verlinkt mit anderen Netzwerken. Am Mittwoch werden Freiexemplare an der Schule verteilt, evtl. Flugblätter mit Einladung zum Diskussionsabend. Mojane-Einsatz vor Ort um Stimmung einzufangen, Bilderstrecke, Video. Parallel werden Twitter, Facebook und Schüler VZ ausgewertet. Für das Printmedium wird ein Leserforum angekündig. Die so angeregte Öffentlichkeit erhält zunehmend Eigendynamik. Die Moderation muss darauf vorbereitet sein.
Wir wollen den Mehrwert unseres Mediums vermitteln (Leser müssten das Ausbleiben der Tageszeitung als Verlust erleben), uns als Moderatoren behaupten, Netzwerke verknüpfen und dirigierende eingreifen, unsere Marke behaupten und Ortsgespräch sein. Unabdingbar ist dazu die stärkere Öffnung der Redaktion, umgehendes und flexibles Reagieren auf die Anliegen der Menschen. Facebook und Mobil-Joaurnalismus sind Mittel, um Flagge zu zeigen. Die Menschen im Netz müssen merken, dass die Zeitung sie wahrnimmt und ernst nimmt.
Im Fokus unserer Betrachtung: sämtliche online-Plattformen – von Facebook bis Youtube – und das Einbinden von Bürgerreportern, Gastautoren, Schülerbeiträgen. Letzteres nicht nur auf das Printmedium bezogen. Die Zeitung soll dabei ihrer Wächterfunktion hinsichtlich der Qualität des Journalismus gerecht werden, zugleich aber die Community pflegen.
Viele Möglichkeiten bieten sich an: Druckereibesichtigungen (redaktionel begleitet), Leserpartys, Laufveranstaltungen (gesucht: der schnellste Zeitungsausträger), Meet & Greet-Star-Treff für Leser, Bilderrätsel, Rätselwanderungen, Expertenforen, Panini-Tauschbörsen, Miss Zöpfchen-Wahl, Fussball-Fanclub-Aktionen mit Preisen, Tippkick-WM, Abstimmungen vor Pferderennen o. ä., organisierte Museumsbesuche, Redakteur auf Leserreisen, Leseraktion mit Weihnachtsschmuck als Adventskalender, Rätselwanderungen organisieren, Rockband_Präsentationen, Rabattaktionen, Eintrittskartenverlosungen…
Wichtig für eine Redaktion, die sich im Netzt positionieren will, ist ein modernes Beschwerdemanagement. Dazu sollten die Redakteure im Konfliktmanagement ausgebildet werden. Denn der verantwortungsvolle Umgang mit Lesern dient auch dem Image des Mediums. Ein Leserrat wird nicht unbedingt für notwendig erachtet. „Wir sind dazu da, auf Leser zuzugehen und brauchen keine Institution, die Leser von uns abhält“, meint ein Teilnehmer der Arbeitsgruppe.
Ein probates Instrument zu Leserbindung sind Leserfotos sowohl im Printmedium als auch online. Gut laufen Themenaktionen – etwa mit Urlaubs- und Gartenfotos. Voraussetzung für den Erfolg ist die Pflege: mit Abdruck ausgewählter Bilder an prominenter Stelle, Ausstellung und Prämierung. Auch eine Buchveröffentlichung ist denkbar.
Mit Aktionen wie „Die Redaktion vor Ort“ können in Zusammenarbeit mit Marketingabteilung und Vertrieb nach entsprechender Vorbereitung (Verteilen von Wurfzetteln in den betreffenden Quartieren, Ankündigungen im Printmedium und online) Themen eingefangen werden, die den Leuten auf den Nägeln brennen. Vor Ort kann auch online berichtet werden. Ein fruchtbares Mittel, das aber in hohem Maß von der Eigeninitiative lebt.