Konferenz 65 Jahre Pressefreiheit

Journalisten am Gängelband? Einflussnahme von außen auf die journalistische Arbeit

Diskussionsrunde„Print ist unverzichtbar“ – mit diesem Satz leitet Moderator Werner Lauff das erste Panel am Nachmittag ein. Soeben bekam das Publikum Einblick in die Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach von Leiterin Köcher. Zwei Aspekte stellte Lauff heraus: Dass Einflussnahme stattfindet und je mehr sie stattfinde, desto leichter sei die Einflussnahme. Taz-Chefredakteurin Pohl spricht vom größten Feind in den Köpfen. Natürlich gebe es einen wirtschaftlichen Druck, aber die Angst vor den Leserinnen und Lesern sei mittlerweile um einiges präsenter als die plumpen Versuche der Einflussnahmen von Seiten der Geschäftsführer und Ministerpräsidenten.

Der Chefredakteur der Allgemeinen Zeitung in Mainz Freidrich Roeingh hält dagegen, dass im Regionalen und Lokalen die wirtschaftliche und politische Einflussnahme noch immer stark ist. Er spricht jedoch auch davon, dass seit Stuttgart 21 Bürgerinitativen immer stärker werden: „Sie sind oft sehr radikal mit ihren Haltungen, drohen mit Aboabbestellung, beschimpfen uns wir seien gekauft etc. Besonders jene Bürgerinitativen, die dagegen sind, haben ein hohes Maß an Professionalität.“

Neben Roeingh sitzt OB Boris Palmer aus Tübingen: „Die schärfste Waffe der Verwaltung ist immer noch das Nichtstun. Wenn sie Lokaljournalisten gängeln wollen, dann ist man einfach nicht da.“ So groß dürfte der Andrang jedoch nicht sein: „Unsere Pressestelle hat eine Studie gemacht, die zeigte, dass 95 % unserer Presseaussendungen unverändert übernommen wurden.“ Es könne nicht sein, dass wir die Lokalmedien verlieren, sagt Palmer. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei kein Löungsansatz, sagt Sitznachbar Roeingh aus Mainz: „Relevante und kritische Berichterstattung kommt von den Zeitungen.“

Taz-Chefredakteurin Pohl nimmt das Beispiel Palmers auf: „Was die Pressemitteilung im Lokalen sein mag, sind die Studien deutschlandweit. Studien finden einen leichten Weg in die Medien.“ Man müsse sich fragen, wer die Studien in Auftrag gebe, wie Kooperationen zustande kamen, auch solle man sich die Zeit nehmen, die ausführlichen Originale zu lesen.

Die Diskussion verlagert sich von der Einflussnahme hin zu ökonomischen Zwängen. „Wir müssen mehr über Kooperationen reden“, sagt Roeingh, „mir ist es wichtig, dass die Lokalredaktionen sich erhalten können und eng mit dem Mantel zusammen arbeiten.“ Palmer verweist nicht nur auf den ökonomischen Druck, sondern auch auf eine neue Konkurrenz, die beispielsweise durch soziale Medien zustande kommt: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leser sagen, dass ihre Facebook-Seite interessanter sind als das Tagblatt und man obendrein auch an die Informationen schneller komme. Dabei brauchen wir die Journalisten als Korrektiv!“ Auch Pohl spricht darüber, dass vor allem junge Menschen sich ihre Nachrichten unter anderem über ihre Facebook-Freunde holen. „Wir müssen über alternative Finanzierungsmodelle nachdenken“, sagt sie, „crowdfunding beispielsweise“. Um junge Leute zu erreichen müsse man massiv in die Qualität investieren, meint der Oberbürgermeister und fährt fort: „Das Zeitungssterben halte ich eine Bedrohung der Demokratie. Durch öffentliche Finanzierung müssen wir Kahlstellen verhindern.“

Über eine Publikumsfrage wird das Thema „Authorisierung von Interviews“ angesprochen, was Pohl zum Klagen veranlasst: „Heute sind alle Politiker so geschult, die Kommentare windelweich, es ist so wenig kantig und fassbar, das macht Politikberichterstattung oft auch langweilig. Es ist wirklich schwierig den Interviewpartner zu konfrontieren und das dann auch so durch die Presseabteilung zu bringen – die Presseabteilung legt jedes Wort auf die Goldwaage.“ Pohl will auch die Politik in der Verantwortung sehen. Der Oberbürgermeister dazu: „Mir ist schon mal passiert, dass mir eine Tageszeitung sagte: „Stellen Sie sich die Fragen selber, schreiben Sie die Antworten dazu und wir drucken es.

Laufs Abschlussfrage für die Panelteilnehmer: Das wichtigste, um den Journalismus zu stärken?
Köcher: „Qualitätssicherung für Journalismus als zentrale Aufgabe und ein wirtschaftliches Fundament“
Palmer: „Es wäre ganz wichtig, so etwas wie Google für politische Grundversorgung zu haben“
Roeingh: Ist gegen die „Googlefalle“ – „Der Lösungsansatz liegt für mich darin, in der sehr zerstückelten Presselandschaft mehr auf Kooperation zu setzen und Bezahlinhalte zu etablieren.“
Pohl: „ Medienkompetenz in der nachwachsenden Generation zu fördern.“