Etwas später beginnt der Präsident des Deutschen Bundestages Norbert Lammert seine Keynote für die Veranstaltung „65 Jahre Grundgesetz – 65 Jahre Pressefreiheit“ . Die Diskussion im Bundestag zu zehn Jahren Osterweiterung dauerte ein bisschen länger. Mit diesen Worten gibt Lammert bereits die Stoßrichtung seiner Rede vor – es wird um den politischen Journalismus gehen.
„Wenn ich zu wählen hätte“, sagte einst Thomas Jefferson, „zwischen einem Land mit einer Regierung und ohne Zeitung und einem Land mit einer Zeitung, aber ohne Regierung, würde ich das Land mit der Zeitung nehmen.“ Zum Glück brauche man das in Deutschland nicht, sagt Lammert, schließlich zählt Deutschland zu einem jener Länder, die die vielfältigsten – in Quantität und Qualität – Medienlandschaften haben. Gleichzeitig weist Lammert aber auch auf die Veränderung im Mediensystem hin, die Konkurrenzsituation mit elektonischen Medien, die Schließungen von Zeitungen, im Speziellen Lokalzeitungen. Das führe in manchen Kommunen zu der Situation dass es nur mehr eine Lokalzeitung gibt.
Kritisch sieht Lammert auch, dass der Journalismus hierzulande gouvernemental organisiert ist – die Regierung interessiert also mehr als das Parlament. Auch seien die tatsächlichen und eingängigen Zwänge unter denen sowohl die Medien als auch die Politik stehen – Stichwort: Leserzahlen bzw. Meinungsumfragen – eine Erklärung aber keine Ausrede für Qualitätsmängel.
„Was mich besorgt stimmt, ist der große Trend, den ich im Mediensystem in Deutschland wie international feststelle, und der sich ganz zweifellos und insbesondere durch die elektronischen Medien befördert: Der Vorrang von Bildern gegenüber von Texten, die Personalisierung gegenüber Sachverhalten, die Schnelligkeit vor der Gründlichkeit, die Unterhaltung vor der Information“, sagt Lammert. Anders formuliert: Infotainment, das Bedürfnis von Unterhaltung, verdränge den Bedarf an Informationen.
In diesem Zusammenhang nennt er die Skandalisierung von Medien, wie etwa in dem Fall von Wulff. Lammert zitiert dabei Heribert Prantl aus dem Artikel „Sind die Medien noch vierte Gewalt?“ , dass in der Causa Wulff eine Art von Gewalttätigkeit lag – diese Art von Gewalt sei nicht gemeint, wenn von vierter Gewalt die Rede sei. Lammert teile die Meinung ausdrücklich, dass in der Causa Wulff eine Art von Gewalttätigkeit läge.
Ein zweiter dringlicher Punkt, den Lammert anspricht ist, die Frage, wie stark Medien die Demokratie verbiegen würden: „Ich finde die Frage zunehmend berechtigt und dringlich, ob Medien durch ihre Art der Berichterstattung nicht zunehmend einen Typus von Politiker selbst erzeugen, den sie anschließend als abschreckendes Beispiel präsentieren.“ Eine Frage, die sich nicht nur an die Medien, sondern auch an die Politik richten würde.
Seine Rede schließt Lammert mit einer hoffnungsvollen Botschaft: „Ich bin von der Zukunft der Zeitung viel stärker überzeugt als so manche Medienanalytiker, weil die Zeitungen den elektronischen Angeboten strukturell überboten sind und weniger Wichtiges von Wichtigem unterscheiden können.“