Zum Abschluss des dritten Tages wurde es kontrovers. Am Kaminabend versammelten sich in Augsburg nicht nur knapp 50 Journalisten, sondern auch drei Politiker, die medial eine offene Strategie fahren und nicht nur die eigene PR, sondern auch gleich die politische Berichterstattung selbst in die Hand nehmen. Aber ist das nicht die Aufgabe der Journalisten?
„Warum nehmt ihr mir meinen Job weg?“, fragt Moderator Lars Reckermann. Gemeint sind Dirk Neubauer (Bürgermeister von Augustusburg), Andreas Brohm (Bürgermeister von Tangerhütte) und Theresa Gröninger, seit 2017 Kreisvorsitzende der Jungen Union in Bremen.
Zunächst scheint es, als gäbe es eine klare Antwort auf Reckermanns Frage: „Notwehr – die Presse macht’s ja nicht!“ Ein erstes Raunen geht durch den Raum. Nach und nach wird aber klar, dass die drei Politiker eine eigene Strategie verfolgen.
An diesem Abend treffen viele Meinungen aufeinander. Da ist die Strategin Theresa Gröninger, 24 Jahre, 2017 Bundestagskandidatin der Bremer CDU, die in ihrer Freizeit ein Orchester dirigiert und Leistungsschwimmerin ist. „Ich komme aus Bremen und da, Sie ahnen es schon, ist die CDU nicht sonderlich beliebt. Und wir als Junge Union müssen einfach schauen, wo wir bleiben“, erklärt sie. Hinter jedem Auftritt, jedem Outfit, jedem Post und jedem Tweet steht ein Ziel: Sichtbar sein, sich selbst präsentieren und damit das Bild der Wähler – beziehungsweise der Leser – aktiv selbst gestalten. Gröninger ist auf sämtlichen sozialen Netzwerken vertreten. Und wie sie so von ihrer Ausbildung zur Campaignerin (eine Fortbildung in der man lernt, gute Kampagnen zu planen) erzählt, legen die Journalisten im Saal die Ohren an. Wie kann das sein, dass es dieser jungen Politikerin offenbar so viel besser gelingt, Menschen für ihre Inhalte zu interessieren, sich als relevant zu verkaufen, als vielen Tageszeitungen? Dass die Facebook Posts einer 24-jährigen eine verlässlichere Quelle zu sein scheinen als die Meldungen in der Zeitung? „Wir machen euren Job, weil wir sonst nicht gesehen werden“, erklärt sie dazu.
Nicht nur vom Publikum erntet sie dafür Kritik. Eine Diskutantin weist die junge Politikerin auf den Unterschied zwischen PR und unabhängiger Berichterstattung („und das ist nämlich unser Job“) hin. Zu ihrer Rechten meldet sich jedoch Dirk Neubauer zu Wort, Bürgermeister von Augustusburg. Von der minutiös geplanten Kampagne hält er nichts. Eine ehrliche Haut möchte er sein und das ist es auch, was ihn an den Worten Gröningers stört: „Es fehlt die Ehrlichkeit! Die Menschen glauben der Presse nicht mehr und sie glauben auch den Politikern nicht mehr. Wir müssen wieder zu denen hingehen und sagen: Das stimmt und das stimmt nicht! Aber wir sind Menschen, keine Produkte!“ Er selbst polarisiere, wie er zugibt, aber er manipuliere nicht und achte das Fairnessgebot. Auch er erwarte von der Presse „eine Berichterstattung, die faktisch stimmt“ – da habe er nur leider schlechte Erfahrungen gemacht.
Einer, der offenbar andere Prioritäten setzt, ist Andreas Brohm, Bürgermeister von Tangerhütte. Eine Pressestelle habe er nicht, das mache er alles selber und wenn Redakteure dann „copy and paste“ machen, sei das eben das Beste. Er sagt zwar, dass Journalisten und Politiker sich nicht bekämpfen müssten, doch gibt er zu, nur mit der Presse zu kooperieren, wenn er dabei die Hoheit über die Information behalte. Will heißen: „Wenn die Journalisten nicht locker lassen und ich denen was sagen muss, dann geb ich ihnen so viel Information wie nötig, und verbreite sie dann aber auch gleich selbst, dass die Wähler es von mir zuerst erfahren.“ Spätestens jetzt herrscht Entsetzen im Raum. Einige können und wollen sich nicht mehr zurückhalten, „Sie betreiben Propaganda!“, echauffiert sich einer.
Mit diesem Vorwurf sind die Eingeladenen natürlich nicht einverstanden. Neubauer wehrt sich: „Es gibt einen Diskussionsbedarf und dem entziehe ich mich nicht, im Gegenteil – ich möchte nur Erreichbarkeit herstellen.“ Das macht er übrigens unter anderem mit dem von ihm entwickelten Format livetalk #politik, indem er Politikern Zuschauerfragen stellt, und das Ganze wird live gestreamt. „Wenn eure Arbeit, wenn Zeitungen relevant sind, braucht ihr vor nichts Angst haben!“, konstatiert er.
Diese Relevanz scheint jedoch abhandengekommen zu sein. Wieso? Einerseits ist die Diskussion an diesem Abend exemplarisch dafür, was alles schief läuft. Es gibt Missverständnisse auf beiden Seiten, persönliche Meinungen, die allzu festgemauert erscheinen, und so ehrlich wie im Rahmen dieses Modellseminars diskutieren Journalisten und Politiker sowieso viel zu selten miteinander.
Darin könnte letztlich eine Lösung des Problems liegen, stellt die Runde schließlich fest. So endet der Abend doch mit einem respektvollen Applaus. Respekt vor der Offenheit der drei Politiker, aber auch vor der Aufgabe, vor der die Journalisten mit ihrer Berichterstattung stehen.