Er hat den Ironman gelaufen, war Sportpsychologe der deutschen Wasserspringer bei Olympia 2008 und dazwischen mal komplett am Boden. Oliver Stoll kennt die Triumphe und Abgründe des Sportlerlebens. Zum Abschluss der Redaktionskonferenz Sport verriet er, wie sich die Motivation im Alltag hochhalten lässt und wie Spitzensportler ticken.
„Trainieren, schlafen, Stoffwechsel.“ Das war das Leben von Oliver Stoll 1988. Der heutige Mentalcoach schafft damals etwas Außerordentliches: den Ironman, den vielleicht härtesten Triathlon der Welt. Und gleichzeitig ist sein Leben kaputt wie nie zuvor. „Ich hatte die komplette Selbstkontrolle verloren, die mich so stark gemacht hatte“, sagt Stoll im Rückblick.
Was war passiert? Der leidenschaftliche Hobbysportler war der Wettkampf-Sucht verfallen. „Ich wollte immer besser und schneller werden. Wenn ich das nicht geschafft habe, gingen Marathon-Urkunden für Zeiten um die drei Stunden in Flammen auf, ich habe die Medaillen weggeschmissen, wenn ich meine Bestzeit nicht verbessert habe. Es war eine sehr, sehr kranke Zeit.“ Die Folge: Stoll hört auf, zwanzig Jahre lang macht er fast gar keinen Sport mehr.
In dieser Zeit läuft es beruflich gut für Stoll, aber Ziele und Visionen hat er keine mehr. Bis eines Tages eine junge Sportstudentin in sein Büro kommt, das Bild vom Ironman 1988 sieht und Stoll wieder dazu animiert, Sport zu treiben. Der weigert sich zuerst, doch nach zwei Wochen gibt er nach. Er läuft fünf Kilometer, mehr schlecht als recht, dennoch ist es ein Wendepunkt. „Ich wusste, ich brauche einen Plan, eine Vision. Es war Juni und ich habe mir überlegt: Ok, du kommst zurück, was ist der späteste Marathon in Deutschland?“ Stoll schafft es, ein Jahr später läuft er sogar einen Ultra-Marathon.
Ziel, Vision, Plan
Stoll erreicht seine Wünsche, indem er diese konkretisiert. Er malt sich sein Ziel aus, formuliert eine Vision und überlegt sich schließlich, mit welchem Plan er es erreichen kann. Dabei helfen ihm zwei Techniken:
- Innere Bilder
„Arbeitet mit inneren Bildern, die positiv besetzt sind. Ich kann mir jederzeit das Bild der Geburt meiner Tochter vor die Augen schieben. Das motiviert.“
- Selbstgespräche steuern
„Richtung und emotionale Besetzung eurer Gedanken steuern euer Verhalten. Wenn ich eine positive Einstellung zu einer Aufgabe habe, kann mir alles wehtun, ich werde weiter machen. Wenn meine Gedanken negativ sind, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ich mein Ziel erreiche.
Spitzensportler richtig interviewen
Aber auch die besten Mentaltechniken bewahren Spitzensportler nicht vor Niederlagen. Anders als bei Privatmenschen müssen sie sich danach der Presse stellen und ihre Leistung erklären. Das sei purer Stress für junge Sportler, die noch keine Medienschulung bekommen haben, betont Stoll, der heute Spitzensportler betreut. Und von erfahrenen Profis gebe es aus einfachem Grund nur Standardantworten: „Die Sportler wissen oft noch nicht, warum sie versagt haben.“ Sportjournalisten rät er deswegen dazu, etwas Zeit verstreichen zu lassen. „Wenn ihr authentische und ehrliche Antworten von Spitzensportlern haben wollt, bekommt ihr sie nie in der Mixed Zone, sondern nur im persönlichen Gespräch ein bis zwei Tage später. In der Mixed Zone bekommt ihr Roboter.“
Seminar-Inhalte umsetzen
Wer nach dem Seminar zurück in die Redaktion kommt, ist euphorisiert. Viele neue Ideen schwirren im Kopf herum, aber wie lassen sie sich im Alltag umsetzen? Stoll rät, es langsam anzugehen und sich Unterstützung bei Kollegen zu holen – gemeinsam sei die Chance viel höher, nachhaltig etwas zu verändern.
„Deine Ziele und Visionen sollten anspruchsvoll sein, aber auch realistisch. Such dir Leute, die dich unterstützen und nicht hemmen. Das sind wichtige Grundvoraussetzungen. Wenn du versuchst, alleine klarzukommen und deinen Perfektionismus pflegst, dann landest du da, wo ich war (Anm. d. Red.: Stoll bezieht sich auf seine Zeit nach dem Ironman 1988).“
Die Präsentation zu Stolls Vortrag finden Sie hier.