Lokalblogs sind häufig auf die Finanzierung durch Anzeigenkunden angewiesen. Sich deswegen die eigenen redaktionellen Inhalte diktieren zu lassen, halten die Teilnehmer des Challenge accepted-Seminars für ein absolutes No-go.
„Koppelgeschäfte halten viele Anzeigenkunden für Gang und Gäbe“, erzählt ein Seminarteilnehmer. Anzeigenkunden gehen also ganz automatisch davon aus, dass eine Anzeige gleichzeitig einen möglichst positiven Artikel auf dem Blog mit sich zu bringen hat.
Auch die Bitte, Fremdbeiträge gegen Aufwandsentschädigung auf dem eigenen hyperlokalen Blog zu veröffentlichen, haben viele der Seminarteilnehmer schon erhalten. Viele Anzeigenkunden scheinen zu verkennen, dass die Inhalte des eigenen Lokalblogs journalistischen Grundsätzen folgen. „Dass der Pressekodex dahintersteht ist vielen nicht bewusst und geht bei ihnen völlig verloren.“
Auch Leser verkennen den Unterschied „Anzeige/Journalismus“
Dieses mangelnde Bewusstsein habe sich aber auch bei den Lesern durchgesetzt. Sie denken oft, dass Anzeigenblätter im Briefkasten journalistischer Inhalt sei. „Die Leser erkennen die Unterschiede schnell nicht mehr.“ Darin sehen die Seminarteilnehmer ein großes Problem. Man könne dem Leser scheinbar nicht mehr bewusst machen, was am eigenen journalistischen Produkt anders und besser ist.
Dieser falsche Eindruck werde aber auch durch Erlösmodelle wie „native advertising“ gefördert. Auch dabei passiere es oft, dass Leser Anzeigen für Artikel halten, weil diese schlecht gekennzeichnet sind. „Sobald der Leser merkt, dass es sich dabei doch um eine Anzeige handelt, fühlt er sich natürlich veräppelt und darunter leidet dann wiederum die Glaubwürdigkeit des eigenen Onlineblogs. Das Abo wird gekündigt.“
„Der Nutzer ist nicht doof“
Doch wie wirkt es auf den Leser, wenn ein Lokalblog sowieso über ein kommerzielles Ereignis eines Werbekunden berichten will, allerdings auf objektive und unabhängige Weise? Wird dadurch automatisch der Eindruck vermittelt, man lasse sich als Sprachrohr missbrauchen? Gilt dann auch der Vorwurf, dass man „ja sowieso nur gesponserte Beiträge“ mache?
„Manche Lokalseiten machen das ganz geschickt“, erzählt ein Seminarteilnehmer. „Da wird eine Anzeige geschaltet und zwei Tage später bringen sie einen positiven Artikel zu dem jeweiligen Thema des Anzeigekundens.“ Der Leser werde dadurch gezielt getäuscht und man müsse sich deswegen davon abgrenzen.
Natürlich könne man als hyperlokaler Onlineblog über kommerzielle Ereignisse im Viertel berichten, finden einige Teilnehmer. Entscheidend sei dabei jedoch, vorher zu überlegen, inwiefern das jeweilige Ereignis für den Leser relevant ist. „Nur weil ein Stadtviertelfest kommerziell ist, kann ich ja nicht automatisch nicht darüber berichten.“
Den Leser begeistern durch unerwartete Zusatzinfos
Die Ansprüche der Leser seien dabei oft nicht besonders hoch, so Annabel Trautwein. „Viele Leser sind schon froh, wenn sie das lesen, was sie gestern genau so gesehen haben.“ Das könne man sich als Lokalblog jedoch zu nutzen machen: Indem man mit seiner Berichterstattung über das, „was der Leser gesehen hat“, hinausgeht. Wenn man hinter die Kulissen guckt, wenn man zusätzlich recherchiert, wenn der Leser merkt, ich hab mit relevanten Personen des Ereignisses gesprochen – dann ist das für ihn eine unerwartete enorme Leistung.“
Trotzdem sei vieles einfach keine Meldung wert, findet Philipp Schwörbel. „Kita-Eröffnungen, Seniorenfeste, Scheckübergaben – das finde ich schlicht nicht relevant.“ Wenn man daraus eine spannende Geschichte machen will, dann dazu, wie sich dieses und jenes Ereignis auf das eigene Viertel auswirkt, auf Einzelhändler oder auf die Anwohner. „Nur Veranstaltungsberichterstattung ist kein Journalismus.“
Wie viel Service ist auf einem Lokalblag erlaubt – auch in der Vorberichterstattung? „Dass es die Leute interessiert, zeigt ja schon, dass sie in Scharen zu solchen Veranstaltungen hinlaufen“, findet Annabel Trautwein. „Ich habe als Medium die Aufgabe, den Service zu bieten, darüber zu berichten, was los ist im Viertel.“ Es gebe dabei tausend Möglichkeiten mit Veranstaltungsberichterstattung journalisitsch umzugehen.
Wo liegt die Grenze zwischen kommerziell und nicht-kommerziell?
Die Frage danach, worüber man als Lokalblag überhaupt noch berichten könne, wenn mögliche Anzeigenkunden hinter einem Ereignis stehen, war unter den Teilnehmer ebenfalls entscheidend. Wie schnell geht dabei Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit verloren?
Annabel Trautwein rät: „Lass dir nicht reinreden, denn du entscheidest, was relevant und wichtig ist!“ Schleichwerbung finde immer statt und es passiere wenig, um sie zu bekämpfen. Deswegen müsse man darstellen, welche Regeln es für Journalisten diesbezüglich gibt und dass man sie als Lokalblog auch einhält. „Wenn wir transparent machen, dass wir diese Regeln anwenden und warum wir sie anwenden, können wir uns gut und unabhängig positionieren“, so ein Teilnehmer.