Krankheitsvorstellungen sind Normvorstellungen
Was ist Krankheit, was ist Behinderung? Es ist vor allem das, was die Gesellschaft daraus machen will. Das ist die zentrale These von Prof. Dr. Dominik Groß, Medizinethiker von der RWTH Aachen. Mit einem reflektierten und erfrischend selbstkritischen Vortrag beginnt er die bpb-Redaktionskonferenz zum Thema Inklusion. Am Ende nehmenden die Teilnehmenden nicht nur Tipps für die Berichterstattung in ihrer Zeitung mit, sondern auch Fragen an sich selbst. Der deutsche Sprachwortschatz mag vergleichweise reich sein an poetischen Nischenbegriffen und präzise zusammengesetzten Wortmonstren. Aber in einem Feld ist es erbärmlich arm: Wenn es um „Krankheit“ geht. Krank ist krank. Dabei bietet der Begriff so viele Bedeutungsebenen und knallendes Konfliktpotenzial. Darum geht Groß ins Englische, um die Verständnisebenen von Krankheit in Forschung und den Definitionen von internationalen Organisation wie der WHO zu verdeutlichen: er unterscheidet disease, illness und sickness am Beispiel des berühmten US-amerikanischen Publizisten Randolph Bourne. Mit Diseases sind vor allem medizinische Diagnosen gemeint, körperliche Funktionen, die von der Norm abweichen – im Falle von Bourne wäre das etwa eine Wirbelsäulen-Tuberkulose, die zu einem veringertem Wachstum geführt …