Auf den Punkt, kein politisches Gezänk, und große Gesprächsbereitschaft: So wie die beiden EU-Abgeordneten Evelyne Gebhardt und Andreas Schwab diesen Freitagmorgen auf dem bpb-Kompaktseminar „Europa lokal“ eingeläutet haben, sollte es laufen. Die Vorstellungsrunde war schnell vorbei – sie SPD-Politikerin, er CDU-Politiker, und natürlichen seien beide engagiert, erfahren und aufgeschlossen– und dann ging es auch richtig los. Die große Frage war, warum die Arbeit von EU-Abgeordneten oft im Hintergrund bleibt, obwohl sie doch an so vielen und wichtigen Verfahren beteiligt sind. Wo ist das EP auf der Lokalbühne der politischen Öffentlichkeit? Gebhardt begründete das zum einen damit, dass oft nur über die Entscheidung des Ministerrats berichtet wird, weil dieser nach dem Parlament entscheide. Zum anderen wurden viele Richtlinien erst in den kommenden Jahren implementiert, da seien frische Entscheidungen oft nicht interessant genug für Lokaljournalisten. „Und wenn es dann kommt, dann kommt es ‚aus dem Bundestag‘, nicht ‚aus dem EP‘, wo es ursprünglich beschlossen wurde. Das ist für uns schon ein großes Problem“, sagte Gebhardt.
Auch bei Regionalprojekten in ländlichen Regionen, die teils von der EU, teils von Kommunen oder anderen lokalen Akteuren finanziert werden, fiele die EU bei der Kommunikation oft unter den Tisch. Sie werde dann gar nicht erwähnt. „Es ist schwer, den Anteil, den wir machen, gleichberechtigt zu besetzen“. Diese Bilanz ist kritisch, bietet jedoch auch Punkte, um zu zeigen, wie es besser gemacht werden kann. Als Journalist kann man schon früh einsteigen, oder die Gesetzesentwürfe im Gesamtzusammenhang darstellen. Schwab betonte, dass jede EU-Geschichte irgendwann vor Ort anfange. Für ihn sei das Europäische Verbraucherzentrum in Kehl sehr hilfreich. „Die kennen viele Einzelfälle, da könne Sie jederzeit anrufen. Ich wette, Sie finden auch in ihrem Verbreitungsgebiet jemanden, der ihnen solche Auskünfte erteilen kann“, sagte er.
Eine weitere Möglichkeit, die EU in die Verbreitungsgebiete zu bringen, sind die Wahlkreise der Abgeordneten. „Was machen Sie denn konkret in ihrem Wahlkreis, worüber man berichten könnte?“, fragte eine Redakteurin. Mit zwei Abgeordneten für ganz Baden-Württemberg und über 40 Sitzungswochen sei es schwierig, Präsenz zu zeigen. Die Wahlkreiszeiten seien einfach viel geringer als die von den Bundestagsabgeordneten, sagte Gebhardt. „Wir machen auch besuche bei Unternehmen, besetzen viele lokale Themen, wenn es zum Beispiel um Europäischen Sozialfonds geht“. Aber man könne nicht für jede Zeitung aktiv sein, praktisch sei man nur in bestimmten Regionen bekannt.
Die EU würde oft missverstanden, auch von der Presse. Gebhardt berichtete von einem kritischen Fall in einer Lokalzeitung vor wenigen Jahren. Jemand habe versucht, auf einem Stadtmarkt kleine Äpfel zu verkaufen, und die Gewerbeaufsicht habe dann gesagt, dass dies nicht ginge, weil „die EU es verbietet“. „ So stand das in der Zeitung. Da habe ich mal recherchiert, weil es mir komisch vorkam, dass in Frankreich solche Äpfel sehr wohl verkauft werden“, sagte Gebhardt. „Herausgekommen ist, dass es in der Tat eine solche Verordnung gab, es aber den Mitgliedsstaaten frei steht, zu erlauben, dass Produkte, die bestimmten Richtlinien nicht entsprechen, auf Regionalmärkten verkauft werden dürfen“, erzählte Gebhardt. In Frankreich sei davon Gebrauch gemacht worden, in Deutschland nicht, somit sei es eine nationale Entscheidung gewesen, keine der EU. Der Imageschaden war aber entstanden. Fehlkommunikation hätte es auch bei der Privatisierungsdebatte um Wasser gegeben, so Schwab. „Das wurde verteufelt, das war eine Scheinkampagne“. Es entstand der Eindruck, dass die EU Einrichtungen privatisieren sollte, die bisher noch völlig in öffentlicher Hand waren, dabei seien sie zu einem gewissen Prozentsatz bereits privatisiert gewesen.
Wenn es um Macht geht, geht es auch immer um Einflussnahme. Lobbyismus ist auch für den Lokaljournalismus ein großes Thema; die Presse genießt schließlich eine demokratische Wächterfunktion, es ist ihre Aufgabe, hinter die politischen Kulissen zu blicken. Wie arbeiten die Lobbyisten, um unbequeme Entscheidungen zu verhindern, wollte ein Redakteur wissen. „Sie überschütten uns mit Papieren, und versuchen oft, uns zum Essen einzuladen“, sagte Gebhardt. Schwab erklärte, dass Lobbyismus aber nicht per se schlecht, ja unter bestimmten Bedingungen sogar nötig sei. „Wir haben diese Woche die Medizinprodukte -Verordnung besprochen. Und wenn die Kommission etwas vorschlägt und sagt, dass alles perfekt ist, ist es aber auch meine Aufgabe als Parlamentarier , zu gucken, ob das stimmt, ob ich zustimmen kann“, sagte Schwab. Dabei sei die Meinung von Interessenvertretern hilfreich , man müsse sogar noch mehr mit den Vertretern sprechen und sie auch hinterfragen, um zu klären, was hinter den Positionen steckt. „ Ich frage mich, wie Unternehmen bei uns vor für Ort Lobbyarbeit bei der EU betreiben. Wie finde ich das heraus“, wollte ein Redakteur wissen. Herr Schwab empfahl, direkt bei den Akteuren nachzufragen, oft seien es auch Verbände, die Lobbyarbeit im Interesse ihrer Mitgliedsunternehmen betreiben. Eine Journalistin hatte einen anderen konkreteren Tipp: Die Stellenangebote und Organisationsstrukturen von Unternehmen zu prüfen. Manchmal seien „Referenten für Brüssel“ ausgeschrieben, „und was die dann machen, ist klar“.
So viel zur Presse. Die Gespräche drehten sich natürlich auch um die inhaltliche Arbeit der Abgeordneten, um Abläufe und Zusammenarbeit. Die Dienstleistungsrichtlinie, in der auch die Unterschiede zwischen den Staaten zum Ausdruck kommen. Diese sei jedoch vor allem für Deutsche von Vorteil, weil Deutschland in dieser Hinsicht einen großen Marktanteil hätte und sehr wettbewerbsfähig sei, sagte Schwab. „Einige Südeuropäer haben dann den Eindruck, dass wir sie plattmachen wollen“. Auch im Zusammenhang mit der Unterscheidbarkeit der Fraktionen im Europaparlament wurde klar: Wenn man einer Fraktion angehört, heißt es nicht, dass alle gleich denken. Es gebe zum Beispiel Unterschiede beim Verständnis von Atomenergie, insbesondere zu Frankreich. „Wir sind sehr individuell in der Arbeit “, sagte Gebhardt. Aber es gäbe schon eine Grundlinie. „ Sie werden nicht für das eine stimmen, und etwas ganz anderes bekommen.“