Konferenz 65 Jahre Pressefreiheit

Wie frei ist die Presse in Deutschland? Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Diskussion_Zwischen Anspruch und WirklichkeitNach dem Impulsvortrag vom ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, eröffnet Moderator Werner Lauff mit der Frage an Justizminister Heiko Maas, ob denn aus grundrechtsorientierter Sicht alles in Ordnung sei? Ja, findet Maas und spricht danach das Urteil des EuGH an bezüglich der Vorratsdatenspeicherung an. Die Linie des Justizministeriums sei klar: Es ist für einen restriktiven Umgang mit dem Gesetz, aber wie es nun weitergehe, wird sich erst zeigen. „Ich bin gespannt, wie die neue Kommission und dann die Mitgliedsländer mit dem Urteil umgehen werden.“

Das zweite Thema, das angesprochen wurde, ist die Beschlagnahmung, die Ausspähung, die Onlinedurchsuchung. Herr Stennei, wie beobachten Sie das, fragt Moderator Lauff den Vorsitzenden des Trägervereins Deutscher Presserat. „Das sind sensible Bereiche, bei denen man aufpassen muss, dass die Verhältnismäßigkeit gewährt ist – da ist in den letzten Jahren einiges durcheinander geraten.“ Stennei weist darauf hin, dass zwar die großen Redaktionsstuben Pressefreiheit genießen, dass kleine, freie Pressebüros, die nicht unter Verlagsschutz stehen, aber gesetzlich außen vor stehen. „Wir brauchen eine unaufgeregte Diskussion darüber, aber auch über redaktionelle Standards und einen bundeseinheitlichen Presseausweis, der für gewisse Qualitätsstandards steht.“

Deutschland steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 14 von 180 Ländern. Warum „nur“ auf Platz 14, das erläutert das Vorstandsmitglied von ROG Astrid Frohloff: „In unserem Ranking sehen wir uns die Veränderungen zum Vorjahr an, wir sehen uns die gesetzlichen Rahmenbedingungen an und das, was tatsächlich umgesetzt wurde. Hier gibt es eine Diskrepanz: Es wurden auch in Deutschland Redaktionsräume durchsucht, Recherchematerial beschlagnahmt – was sehr gefährlich und heikel für Journalisten ist, schließlich brauchen sie ja auch das Vertrauen von Informanten.“ Auch hätten fünf Bundesländer noch immer nicht das Informationsfreiheitsgesetz festgeschrieben und die Vielfalt der Presse gehe zurück. Und was machen die anderen Länder besser? „Die skandinavischen Länder haben sehr liberale Gesetzgebungen, die auch Informantenschutz beinhalten, was sehr wichtig für investigativen Journalismus ist und Finnland hat beispielsweise ein verbrieftes Recht auf Breitbandzugang – also Zugang zu Information.“

Frohloff und Maas sind sich einig, dass die Definitionen im Bestandsdatengesetz unklar sind und auf juristischer Seite Klärungsbedarf bestehe. Stennei spricht die Edathy-Affäre und die darauffolgende Gesetzesinitiative an: „Man muss aufpassen, dass die Rahmenbedingungen, die uns die Politik schafft, nicht verwässert werden.“ Justizminister Maas hält dagegen: „Politik verwässert nicht, sondern im Gegenteil. Das Thema Edathy und das Gesetz, dass da angesprochen wurde, hat mit Edathy wenig zu tun, sondern mit Cybermobbing, da die Anzahl von Jugendlichen, die Suizid wegen Cybermobbing begehen, ständig wächst.“ Maas führt weiter aus, dass die Pressefreiheit von dem Gesetz nicht eingeschränkt werde, da ja mit dem Begriff „unbefungt hergestellt“ – ein Terminus der in dem Gesetz vorkommt – nicht die Presse betroffen ist, da sie ja nichts „unbefugt herstellt.“

„Bei Eingriffen in die Pressefreiheit muss man einen Unterschied zwischen Eingriffen, die durch staatlicher Seite geschehen machen und solchen Eingriffen, die in Abwegung auf die Schutzwürde grundrechtlich bedrohter Dritter gemacht werden“, sagt Papier. Hier habe sich die Rechtssprechung in Bezug auf den Schutz der menschlichen Persönlichkeitsrechte positiv entwickelt.

Im Laufe der Diskussion kommt man auch beim NSA-Untersuchungsausschuss an, für den Reporter ohne Grenzen eine Begleitung von Medien fordert. „Die erste öffentliche Sitzung des NSA-Untersuchungsausschuss fand vor etwa 10 Tagen statt, am Morgen gab es einen großen Andrang, zu Mittag waren schon viele schon weg“, wirft Papier ein. Stennei hält dagegen: „Eine staatliche Stelle muss der Presse die Möglichkeit geben,so etwas mitverfolgen zu können, um dann später zu entscheiden, was relevant ist und was nicht.“ Applaus.

Zum Abschluss gibt Moderator Lauff folgenden Satz zum Beenden vor:

Um die Pressefreiheit zu sichern, sehe ich Handlungsmöglichkeiten in folgenden Bereichen…

Stennei: „Klare Definition für Qualititätsstandards für journalistisches Arbeiten und Ausbildung“
Prinz: „Ich teile die Auffassung, was die Ausbildung für Jungjournalisten angeht.“
Papier: „In Zeiten, in denen jederman/frau medienspezifisch tätig werden kann, wird die Presse als solche nur dann überlebensfähig sein, wenn sie durch spezifische redaktionelle Betreuung der Flut von Informationen Herr wird.“ Es gehe ihm also um Einordnung.
Maas: „Der wirtschaftliche Druck darf nicht dazu führen, dass Pressefreiheit eingeschränkt wird.“ Ein von Maas genannter Punkt, der ebenfalls Applaus erntete, ist jener, dass eine gute Bildungspolitik unabträglich ist, um beispielsweise Qualitätsjournalismus überhaupt erkennen zu können.
Frohloff: An die Medienhäuser: Es solle der Kostendruck und das wahnsinnige Tempo zurückgenommen werden, um Qualität im Journalismus gewährleisten zu können. An die Gesetzgeber: Sie sollen dafür sorgen, dass die Gesetze, die gemacht werden, auch eingehalten werden.