Zeitungen, die Menschen unter 35 Jahren erreichen und obendrein Geld verdienen wollen, müssen Facebook nutzen. Diese Meinung hat Hans-Jörg Zürn, Chefredakteur und Verlagsleiter der Böblinger und Sindelfinger Zeitung, beim Experten-Forum im Waiblinger Bürgerzentrum vertreten.
Weltweit nutzen über 500 Millionen Menschen das soziale Internet-Medium Facebook, alleine in Deutschland gibt es etwa zwölf Millionen aktiver User. Diese imposanten Zahlen stellt André Hellmann, Geschäftsführer der Netzstrategen, den Zuhörern vor. „Es geht um das Zeitbudget, das wir von unseren Lesern bekommen. Wir stehen als Zeitung im Wettbewerb mit dem Gelaber auf Facebook. Das ist eine ganz krasse Konkurrenz.“
Deshalb müssten die Verlage umdenken und auch dort präsent sein. Das verstärke die Leser-Nutzer-Bindung und stelle Kontakt zur jungen Zielgruppe her. Davon profitiere auch das Online-Angebot der Zeitungen. Die Facebook-Präsenz sei zudem ein Anreiz für Werbekunden der Verlage, weil die Anzeigen eine größere Reichweite hätten.
Die Sindelfinger und Böblinger Zeitung sowie die Eßlinger Zeitung haben gute Erfahrungen mit dem sozialen Medium gemacht. Die Zeitungen stellen mehrmals täglich Nachrichten auf ihre Facebook-Fanseiten. „Das ist ein relativ geringer Aufwand“, sagt Nicole Rabus, Leiterin der Online-Redaktion der Eßlinger Zeitung. „Einfache Aufregerthemen wie Schlaglöcher erzeugen einiges an Kommentaren.“ 60 Prozent der Nutzer der Fanseite seien zwischen 25 und 45 Jahre alt.
Die Sindelfinger und Böblinger Zeitung haben Facebook sogar als Recherchemöglichkeit entdeckt. Die Redakteure erfuhren so von einer Messerstecherei und nutzten die Information für mehrere Artikel. Chefredakteur und Verlagsleiter Zürn streicht einen weiteren Vorteil der Facebook-Präsenz seiner Zeitung heraus: „Wir erreichen vorwiegend Nichtabonnenten, und an die will ich ja rankommen.“
Einen Pferdefuß gibt es aber: Zeitungen, die Facebook nutzen, helfen dem Medium beim Geldscheffeln. „Macht Sie das manchmal unzufrieden?“, hakt Moderatorin Nicole Amolsch, Referentin des Chefredakteurs der Heilbronner Stimme, nach. Die Antwort von Hans-Jörg Zürn: „Das macht mir nix aus. Die stellen das Portal kostenlos zur Verfügung, das gibt mir die Möglichkeit, für die Marke Zeitung zu werben, ohne Geld einzusetzen. Man kann das verteufeln. Aber man muss sich doch als Zeitung dorthin begeben, wo die Menschen sind. Facebook ist ein virtueller Marktplatz.“
Nachtrag: Mit Hans-Jörg Zürn haben wir schon einmal zum Thema Facebook ein kleines Interview geführt. Mehr hier.
Weiß nicht, ob es bloß „Gelaber“ ist (in toto)???