Berufsbild, Crossmedia, Diskussion

Zentralregierung statt Fürstentum

Endlich eine richtige Diskussion gab es im Experten-Forum „Die Zukunft des lokalen Newsdesk“. Am Morgen hatte es mit dem Vortrag von Sarah Schantin-Williams eine eher theorielastige Einführung gegeben – im Forum wurde es konkret. Der Chefredakteur der Ruhr Nachrichten Wolfram Kiwit präsentierte das Modell seiner Zeitung, in der es drei regionale Newsdesks gibt. Neben ihm saß Horst Seidenfaden, Chefredakteur der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen. In Kassel gibt es keinen Newsdesk sondern eine eigene Online-Redaktion.

Die Diskussion entzündete sich am Dortmunder Modell. Dort gibt es praktisch keine klassischen Lokalredaktionen mehr, sondern Reporterteams vor Ort, in denen der frühere Lokalleiter Chefreporter ist.  Diese Reporterteams gehen raus, recherchieren und schreiben, während die Zeitung zentral unter anderem in Dortmund gebaut wird. Dort sitzt ein Editor, der zumeist zuvor ebenfalls in der Lokalredaktion, die er betreut, gearbeitet hat, und kümmert sich um das Layout und die Internetinhalte. Aber nicht nur. Ihm sitzt ein so genannter Redaktionsassistent (das sind Mediengestalter, Volo-Anwärter,Verlagskaufleute – keine Journalisten)  zur Seite, der Bilderstrecken baut aber auch die Themen im Maileingang sichtet und sortiert. Welche Themen wie ins Blatt kommen wird dann mit den Reportern telefonisch abgesprochen. „Vorher waren die Lokalredaktionen wie kleine Fürstentümer mit eigenen Regeln, wo einer layoutet, einer schreibt, einer Kontakt zum Marketing hält etc“, sagte Kiwit. „Heute ist es viel transparenter und die Kontrolle der Ausgaben einfacher.“

Das provozierte Fragen bei den Teilnehmern. Viel Platz für Konflikte zwischen den fernen Editoren und den Reportern vor Ort? „Nur, wenn der Editor schwach ist“, so Kiwit. Aber: Wenn die Redaktionsassistenten die Mails sichten, kontrolliert dann nicht der am schlechtesten Ausgebildete die Themen? „Stimmt nicht, sie handeln in Absprache mit den Editoren und tragen die Termine in einen Kalender ein“, antwortet Philipp Ostrop, Leiter des Regiodesk in Dortmund, der im Publikum saß. Wer redigiert? Kiwit: „Die Editoren und die Reporter, wenn sie Zeit haben.“ Wie sind die freien Mitarbeiter eingebunden? Kiwit: „Werden vor Ort gesteuert.“ Fehlen nicht Leute vor Ort als kreatives Potenzial, wenn einer dauerhaft an den zentralen Newsdesk abgezogen wird? Kiwit: „Nein. Wir wollten die festgefahrenen Strukturen aufbrechen und das kanalaffine Aufbereiten von Nachrichten ermöglichen. Das geht am besten am Desk.“

An dem Punkt schaltete sich Christian Lindner, Chefredakteur der Rhein Zeitung ein. „In ein paar Jahren sind diese Fragen nicht mehr relevant. Dann können wir uns keine Leute mehr leisten, die Routine managen. Jetzt müssen wir einen Apparat aufbauen, der die Themen generiert, für die Menschen im Internet bereit sind, Geld zu zahlen. In Zukunft wird es Content Contributoren und Content Distributoren geben. Das muss in größeren Einheiten laufen, sonst haben wir schon verloren.“ Ein Einwurf, der Bernd Serger von der Badischen Zeitung nicht überzeugte. „Ich habe solche Prognosen satt. Das höre ich seit 18 Jahren und sie haben noch nie gestimmt.“

Das Schlusswort der Diskussion hatte Horst Seidenfaden. „Man muss aufpassen, man kann das Newsdesk-Modell nicht beliebig jedem Verlagshaus überstülpen.“ Bei der HNA sei die Online-Redaktion der Filter für den Internetauftritt, die Redakteure hielten den Kontakt mit den Redaktionen, die wiederum die Pflicht hätten, sich zu melden, wenn etwas wie ein Brand etc passiere. Seidenfaden: „Aber das läuft in einer ganz herkömmlichen Organisation, in der es zum Beispiel noch Lokalchefs gibt.“