Autor: Katrin Matthes

„Journalisten und Programmierer müssen eng zusammenarbeiten“

Eine bessere Verbindung zwischen journalistischen Inhalten und Technologie fordert Jan Bayer aus dem Vorstand der Axel Springer AG: „Technologie wird zum Schlüssel des Erfolges. Auf fünf Journalisten sollen bei uns künftig ein Programmierer und ein Designer kommen.“ Das sei die Lehre, die der Vorstand der Axel Springer AG, aus dem Besuch im Silicon Valley gezogen hat. „Dort arbeiten interdisziplinär zusammengesetzte Teams zusammen“, sagt Bayer. „Das müssen wir übernehmen und die Wände der Büros einreißen. Ideen enstehen im Austausch und nicht zurückgezogen in einem Büro.“ Nur wenn Bereitschaft zur Veränderung da sei, könne der Lokaljournalismus in Deutschland überleben. „Wir waren früher Teil eines Rituals am Frühstückstisch“, betont Bayer. „Das ist heute größtenteils nicht mehr so.“ Deshalb müssten Wege gesucht werden, wieder Bestandteil in den Alltagsritualen der Menschen zu werden. „Dafür müssen wir über den Tellerrand hinausschauen und erkennen, wer mit am Tisch sitzt.“ Im Lokalen seien das zum Beispiel Internetdienste wie Google News oder Qype. Doch könne dort „nur“ Content konsumiert werden, Orientierung oder Recherche werde nicht geboten. „An dieser Stelle kommt der Qualitätsjournalismus ins Spiel, …

„Das Selbstbewusstsein stärken“

Ein Plädoyer für kritischen Lokaljournalismus hielt Olaf Scholz zum Auftakt des zweiten Tages. „Wer in einer Stadt lebt und über sie schreibt, dem liegt sie auch am Herzen“, sagt der Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg. „Dem tut es aber zugleich umso mehr weh, wenn etwas schief oder aus dem Ruder läuft. Und ein guter Journalist bringt es unerbittlich an die Öffentlichkeit.“ Ihn freue ein Journalismus, der sich nicht unreflektiert als neutraler Beobachter inszeniert, sondern der sein Einbezogensein in räumliche und soziale Zusammenhänge reflektiere und sich kompromisslos daran mache, Geschichten auszugraben und Missstände anzuprangern. „Gerade die starke regionale Verankerung der Presse ist ein Grund dafür, dass wir auch in Zeiten der sogenannten Medienkrise immer noch flächendeckend qualitativ guten Journalismus in Deutschland vorfinden“, sagt der Politiker. Doch während der gesellschaftliche Wert journalistischer Angebote nach wie vor unbestritten sei, sähe es mit der Frage nach dem wirtschaftlichen Wert des Journalismus schwieriger aus. „Dadurch wird es immer schwieriger, leistungsfähigen und kritischen Journalismus zu bieten“, betont er. Deshalb sei ine gesellschaftliche Debatte darüber, wie wir ihn künftig organisieren, unerlässlich. Daran …

Jeden Kommentar zu Herzen genommen

Anekdoten und persönliche Eindrücke prägen das Gespräch zwischen Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, und Dieter Matz, dem Autor des Blogs „Matz ab“ und Redakteur des Abendblatts. Seit August 2009 existiert das Blog „Matz ab“, und es ist eine Erfolgs-Story. Dieter Matz veröffentlicht dort jeden Tag eine HSV-Geschichte. Seine Meinung ist gefragt. Unglaubliche 1900 Kommentare gab es zu einer Einschätzung der Rückkehr von Rafael Van der Vaart zum HSV. „In den vier Jahren von Matz ab habe ich aber bereits mehrmals über 1000 Kommentare bekommen“, sagt Dieter Matz. Doch was schreiben die Leute? „Ich habe mir lange jeden Kommentar angeschaut und zu Herzen genommen“, sagt Matz. „Aber dort wird anonym auch viel Mist abgeladen. Ich habe unter den oft perönlichen Angriffen gelitten.“ So sei gepostet worden, was er am Tag zuvor gemacht habe, oder es wurden Nazivergleiche gezogen. „Ich fühlte mich ständig verfolgt und habe psychologischen Beistand gesucht“, berichtet Matz. „Der hat mir geraten, keine Leserbeiträge mehr zu lesen.“ Seitdem gibt es ein Team, das an seiner Statt die Kommentare liest.  „Fragen, Lob und konstruktive …

Zehn Thesen zur Zeitung

Es scheint immer alles so klar. Wer ist für den Auflagenschwund der Zeitungen verantwortlich? Das Internet. Wen müssen Regionalblätter mit dem Marketing erreichen? Junge Leser – damit sie die Printzeitung zu schätzen lernen. Auf der Internationalen Fachkonferenz „Für die Zeitung von morgen“ des Instituts für praktische Journalismusforschung (IPJ) in Leipzig stellte Professor Michael Haller zehn Feststellungen auf, warum dies Vorurteile sind und was Zeitungen daraus lernen können. Die ersten vier Feststellungen betreffen die Nutzungstrends von Zeitungen (Zahlen aus Schaubildern, erstellt mit dem meedia analyzer) 1. Sinkende Reichweiten von Regionalzeitungen sind nicht eine Folge des Internets, sondern setzten bereits vorher ein (etwa ab 1989). 2. Der Leserrückgang betrifft alle Bildungssschichten. 3. Seit rund zehn Jahren beginnen junge Erwachsene immer später damit, eine Tageszeitung zu abonnieren. 4. Das Interesse am Zeitungs-Abo entsteht erst in der sogenannten Etablierungsphase (derzeit ab Anfang 30 Jahre). Daraus folgt, dass die Kernzielgruppe von Regionalzeitungen die 30- bis 50-Jährigen sind (sein sollten). Aber: Mediensozialisation in Familie (und Schule). Darum sind „Zeitung in der Schule-Projekte“, wo Kinder und Jugendliche das Medium Zeitung kennenlernen, sehr …

Zentralregierung statt Fürstentum

Endlich eine richtige Diskussion gab es im Experten-Forum „Die Zukunft des lokalen Newsdesk“. Am Morgen hatte es mit dem Vortrag von Sarah Schantin-Williams eine eher theorielastige Einführung gegeben – im Forum wurde es konkret. Der Chefredakteur der Ruhr Nachrichten Wolfram Kiwit präsentierte das Modell seiner Zeitung, in der es drei regionale Newsdesks gibt. Neben ihm saß Horst Seidenfaden, Chefredakteur der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen. In Kassel gibt es keinen Newsdesk sondern eine eigene Online-Redaktion. Die Diskussion entzündete sich am Dortmunder Modell. Dort gibt es praktisch keine klassischen Lokalredaktionen mehr, sondern Reporterteams vor Ort, in denen der frühere Lokalleiter Chefreporter ist.  Diese Reporterteams gehen raus, recherchieren und schreiben, während die Zeitung zentral unter anderem in Dortmund gebaut wird. Dort sitzt ein Editor, der zumeist zuvor ebenfalls in der Lokalredaktion, die er betreut, gearbeitet hat, und kümmert sich um das Layout und die Internetinhalte. Aber nicht nur. Ihm sitzt ein so genannter Redaktionsassistent (das sind Mediengestalter, Volo-Anwärter,Verlagskaufleute – keine Journalisten)  zur Seite, der Bilderstrecken baut aber auch die Themen im Maileingang sichtet und sortiert. Welche Themen wie ins Blatt …

Frösche im Newsroom

Am Anfang steht das Verstehen. Von Möglichkeiten, die das Internet bietet und Organisationsformen, wie man sie umsetzen kann. Der erste Vortrag beim 18. Forum Lokaljournalismus drehte sich um Newsroom-Modelle und den etwas abgelatschten Begriff  „Change Management“. Referentin Sarah Schantin-Williams,  WAN-IFRA Associate Consultant, ging aber am Anfang auf die Medienkrise ein und erläuterte in vielen Worten, warum die Tageszeitung ums Überleben kämpft. Kurz gesagt: Anzeigen brechen weg, Leser suchen sich andere Kanäle, etc. – nichts Neues. Ihr Fazit: Zeitung muss Orientierung bieten, aber nicht den Kanal in den Mittelpunkt stellen (wie die Zeitung), sondern vielmehr die Marke, die Glaubwürdigkeit repräsentiere. Dann stellte sie vier Newsdesk-Modell vor. 1) den Newsroom, in dem die Plattformen Print und Online getrennt sind und getrennte Redaktionen haben (viele Zeitungen in Deutschland), 2) den Newsroom, in dem ein Reporterpool für alle Kanäle produziert, die einzelnen Plattformen aber von verschiedenen Personen gemanagt werden (als Beispiel Nordjyske Medier aus Dänemark), 3) die Plattformen werden von verschiedenen spezialisierten Fachleuten gestaltet – zum Beispiel von Designern, die nur für Print zuständig sind. Auf der Leitungsebene ist jedoch die …