Ein Plädoyer für kritischen Lokaljournalismus hielt Olaf Scholz zum Auftakt des zweiten Tages. „Wer in einer Stadt lebt und über sie schreibt, dem liegt sie auch am Herzen“, sagt der Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg. „Dem tut es aber zugleich umso mehr weh, wenn etwas schief oder aus dem Ruder läuft. Und ein guter Journalist bringt es unerbittlich an die Öffentlichkeit.“ Ihn freue ein Journalismus, der sich nicht unreflektiert als neutraler Beobachter inszeniert, sondern der sein Einbezogensein in räumliche und soziale Zusammenhänge reflektiere und sich kompromisslos daran mache, Geschichten auszugraben und Missstände anzuprangern. „Gerade die starke regionale Verankerung der Presse ist ein Grund dafür, dass wir auch in Zeiten der sogenannten Medienkrise immer noch flächendeckend qualitativ guten Journalismus in Deutschland vorfinden“, sagt der Politiker.
Doch während der gesellschaftliche Wert journalistischer Angebote nach wie vor unbestritten sei, sähe es mit der Frage nach dem wirtschaftlichen Wert des Journalismus schwieriger aus. „Dadurch wird es immer schwieriger, leistungsfähigen und kritischen Journalismus zu bieten“, betont er. Deshalb sei ine gesellschaftliche Debatte darüber, wie wir ihn künftig organisieren, unerlässlich. Daran müsse sich auch die Politik beteiligen. „Die Aufgabe der Politik ist es hier zunächst, das Gespräch zwischen allen in der Branche zu ermöglichen und notfalls auch zu erzwingen“, sagt Scholz.
Was muss getan werden? Scholz nennt drei Aspekte:
1. Wer den Journalismus als Beruf erhalten wolle, der müsse sich um Mediengeschäftsmodelle und ihre Rahmenbedingungen kümmern. In zwei Woche sei ein Treffen in Hamburg mit Unternehmen und Verbänden aus allen Medienzweigen, um über die Herausforderungen des technologischen Wandels zu reden und nach Möglichkeit ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln. Erst das mache es nämlich möglich, auch die Konflikte zum Beispiel zwischen Inhalteanbietern und Internetplattformen produktiv und konstruktiv zu bearbeiten.
2. Wer den Journalismus als Beruf erhalten will, der muss sich zweitens um die Kompetenzen von Journalistinnen und Journalisten kümmern, um ihre Aus- und Weiterbildung. „Ich habe Zweifel, dass das Volontariat auf Dauer der Königsweg in den Journalismus bleiben wird und will Ihnen auch sagen warum: Sie können im Volontariat strukturell nur das lernen, was die Redaktion schon kann“, sagt der Bürgermeister. „In einer Zeit, in der neue mediale Angebote gerade einmal ein halbes Jahr brauchen, um 50 Millionen Nutzer weltweit zu erreichen, ist das nicht mehr in jedem Fall ausreichend.“ Deshalb seien zum Beispiel Partnerschaften von Verlagen mit Hochschulen notwendig.
3. Wer den Journalismus als Beruf erhalten wolle, der müsse sich um das Selbstbewusstsein von Journalisten kümmern – und zwar im Wortsinne. „Journalismus ist für mich Dienst an der Demokratie. Ohne Journalistinnen und Journalisten, die unabhängig und unerschrocken berichten, was passiert, nützten die schönsten Beteiligungsmöglichkeiten nicht, weil sie nicht informiert genutzt werden können“, sagt Scholz. Doch gehe diese grundsätzliche Perspektive im redaktionellen Alltag bisweilen verloren. Scholz mahnt: „Das darf nicht passieren.“
Seine Rede endet mit dem Aufruf: „Wir brauchen Sie! Unabhängig. Kritisch. Verantwortlich für die Gesellschaft.“
In der folgenden Fragerunde spricht sich Scholz für das Leistungsschutzrecht aus, „allerdings ist das jetzige Gesetz geschludert und muss nachgebessert werden“. Auch unterstützt er ein Stiftungsmodell für Journalismus – ähnlich dem in Nordrhein-Westfalen. Mit der Einschränkung: „Es darf nicht als Rettung des Journalismus angesehen werden. Journalismus muss auch als Geschäftsmodell funktionieren.“