Autor: Fabian Scheuermann

So geht bessere Wahlberichterstattung im Lokalen

Wie wird die Berichterstattung der eigenen Zeitung zum Bundestagswahlkampf spannender, verständlicher und relevanter? Wie begegnet man dem sich verändernden politischen Klima und Lügenpressevorwürfen? Was gibt es für Tools und Berichterstattungsformen, die man kennen und anwenden sollte? Dreißig Redakteurinnen und Redakteure haben sich bei der bpb-Redaktionskonferenz zur Wahlberichterstattung im Lokalen Gedanken dazu gemacht. Hier sind ihre Ideen.

Wahl multimedial – warum die Berichterstattung spielerischer werden muss

Wer mehr Menschen für die Berichterstattung über die anstehende Bundestagswahl begeistern will, tut gut daran, die Beiträge ruhig auch einmal etwas spielerischer zu gestalten. Das ist eine der Thesen, die Tobias Köpplinger – Online-Chef bei der Frankfurter Neuen Presse – mit zur Redaktionskonferenz des bpb-Lokaljournalistenprogramms nach Berlin gebracht hat. Mitgebracht hat er auch eine große Auswahl an Beispielen, wie Wahlberichte und multimediale Arbeiten erfrischender gestaltet werden können – so eben, dass sie gut geklickt werden, aber trotzdem inhaltlichen Mehrwert bieten. So haben die Onliner des Nordbayerischen Kuriers – Köpplingers vorigem Arbeitgeber – einmal versucht, TTIP mit Hilfe von Legomännchen zu erklären. Zwei Personen waren dafür zwei Tage lang eingebunden. Der Beitrag wurde gut geklickt. „Ich glaube, damit erreichen wir ganz andere Menschen als wenn wir TTIP in einer Artikelserie erklären“, sagt Köpplinger über das witzige Video, das eine deutsche Familie und deren Ängste mit einer amerikanischen Familie vergleicht. „Oh, die machen ja cooles Zeug bei der Lokalzeitung“ (Tobias Köpplinger) Und: Der kurze und spielerische Videobeitrag hat einen sogenannten Longtail. Heißt: Wann auch immer die Zeitung …

Lokaljournalist deckt Wahlbetrug auf

Seine Recherchen haben deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt: Marc Rath, Redakteur bei der Volksstimme, Träger des Wächterpreises, hat einen lokalen Wahlbetrug aufgedeckt. Genauer gesagt die Fälschung von Briefwahl-Vollmachten in Stendal. Das Medium-Magazin hat ihn dafür zum lokalen Journalisten des Jahres gewählt. Wenn er am Dienstag bei der Redaktionskonferenz zur Berichterstattung über die Bundestagswahl von seinen Recherchen erzählt, klingt das zunächst wie ein Krimi. Es klingt aber auch nach viel Arbeit. „Das Abstimmungsergebnis unserer Wähler entzieht sich unserer Kenntnis“, habe der Stadtwahlleiter damals gesagt als Rath ihn auf Unregelmäßigkeiten beim Briefwahlergebnis eines CDU-Kandidaten hingewiesen hatte. Rath gab sich damit nicht zufrieden, deckte schließlich Manipulationen auf – die ganze Stadtratswahl musste schließlich wiederholt werden. Und es ging noch weiter: Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) trat zurück und ein Verfahren zur Briefwalaffäre läuft. Auch da bleibt Marc Rath natürlich dran – verfolgen lässt sich das unter anderem auf seinem Twitter-Account und auf der Seite der Volksstimme – morgen ist der nächste Verhandlungstag. Und: weitere Infos zu Marc Rath gibt es hier.

„Wahlprogramm trifft auf Wirklichkeit“

Rede von Prof. Jürgen W. Falter: Es ist unbestreitbar: Unsere Parteienlandschaft ist unübersehbarer und komplexer geworden, als sie das jahrzehntelang war. Denken wir uns einen Augenblick zurück in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Da gab es nur drei im Bundestag vertretene Kräfte, die Unionsparteien, die SPD und die FDP. Und wer gerade regierte, das hing ab von den Koalitionspräferenzen des mächtigen Züngleins an der Waage, der FDP. Das war die Zeit, als sich über 90 % der Wahlberechtigten noch an Wahlen beteiligten und als die großen Volksparteien noch tatsächlich groß waren. Sie erhielten zusammen über 90 % der Wählerstimmen und wurden von gut vier Fünftel aller Wahlberechtigten unterstützt. Heute sind sechs Parteien oder fünf politische Kräfte im Bundestag vertreten, nach Lage der Dinge werden es ab 2017 sogar sieben Parteien sein, weil die AfD dazukommen dürfte. Der Stimmenanteil der großen Volksparteien ist merklich geschrumpft, auch wenn er bei der letzten Bundestagswahl noch bei fast zwei Drittel der abgegebenen gültigen Stimmen lag. In der Zwischenzeit müssen CDU/CSU und SPD darum bangen, gemeinsam überhaupt noch eine …

Flucht und Zuwanderung – woher kommen die Ressentiments?

Warum haben so viele Deutsche Angst vor Zuwanderern? Warum machen sie sich Sorgen, obwohl es ihnen – nüchtern und vergleichend betrachtet – doch eigentlich ganz gut geht? Stephan Grünewald versucht sich an einer Erklärung. „Wir sind mitten in einer Zeitenwende“, erklärt der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts rheingold zum Auftakt der Redaktionskonferenz „Wahl investigativ und innovativ“ der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Berlin. Die Jugend, so der Psychologe Grünewald, vertrete heute sozusagen ein diametral anderes Weltbild als die 68er-Generation. Sie sei teilweise visionslos, sei saturiert und durchdrungen von einer „Sehnsucht nach einer permanenten Gegenwart“. So wie jetzt solle es also bitteschön bleiben. Keine Experimente. Sicherheit. Und bitte genug Zeit auf der Couch. Angela Merkel, so Grünewald, galt diesen Menschen lange Zeit als eine Art „Schutzhelige“, die auf Sicht segelte und den Menschen weiterhin ein ruhiges Leben garantierte. „Die Flüchtlinge sind auch ein willkommener Fluchtpunkt für diffuse Ängste“ (S. Grünewald) Die vielen Menschen, die sich von Syrien, Afghanistan oder dem Irak bis nach Deutschland durchgeschlagen haben und dies immer noch tun, brächten dieses Bild der Absicherung und …