Neueste Forschungserkenntnisse zu Populismus, Rechtspopulismus und zur zunehmenden „Boulevardisierung des Journalismus“ lieferte Prof. Dr. Paula Diehl, Politikwissenschaftlerin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Direktorin des dort angesiedelten Internationalen Netzwerks für Populismusforschung, am Mittwochnachmittag des Forum Lokaljournalismus 2025. Das anschließende Gespräch wurde moderiert von Thomas Krüger, dem Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung.
(Foto: Marcus Klose, drehscheibe)
Populismus fluider denken
Der Vergleich populistischer Strömungen in verschiedenen Ländern habe ergeben, dass Populismus weniger als politische Kategorie, sondern vielmehr als Art Politik zu machen verstanden werden müsse, stellte Diehl voran. Akteure seien dabei nicht kategorisch als Populisten zu bezeichnen, vielmehr komme es darauf an, in welcher Intensität sie populistische Strategien nutzten. Außerdem könne Populismus sich mit verschiedenen Ideologien vermischen.
Komponenten des Populismus
Folgende Punkte gab Diehl als Komponenten des Populismus an:
- Glaube an Volkssouveränität
- Feindschaftliche Trennung der Gesellschaft in Elite und Volk
- Anti-institutionelle Haltung, gegen Mediation: Als Institution gilt dabei nicht nur der Staat, sondern auch die Massenmedien. Jeder, der Äußerungen interpretiere, stehe in Verdacht, die Volksmeinung zu verzerren
- Populistische Bewegungen würden häufig von einer zentralen charismatischen Führerfigur bestimmt. Die AfD sei dabei eine Ausnahme, bei der sich die Aufmerksamkeit auf mehrere Führerfiguren verteile
- Populistische Bewegungen setzen auf das Narrativ des betrogenen Volkes. Es gehe dabei um eine „stille Mehrheit“, die von Eliten betrogen werde. Sie wird politisch erweckt von einer heldenhaften Figur, die ein Happy End verspricht. Es geht dabei darum, die Macht dem Volk zurückzugeben
Besonderheiten des Rechtspopulismus
Der Rechtspopulismus ist laut Diehl wiederum eine Mischung aus Populismus und rechtsradikalen Ideologien, dabei etwa stark mit dem Faschismus verbunden.
- Das Volk wird als organische und homogene Einheit verstanden und als „Volkskörper“ bezeichnet. Dieser müsse sich ständig vor äußeren Kräften verteidigen. Damit stehe der Rechtspopulismus im Widerspruch zum Pluralismus und zur Vielfalt in einer Demokratie.
- Die Trennung zwischen Elite und Volk wird ergänzt um die Trennung zwischen Innen und Außen sowie Ressentiments gegenüber Minderheiten, die sich etwa in Rassismus, Xenophobie und Homophobie äußerten.
- Auch das Narrativ des betrogenen Volkes des Populismus wird erweitert. Laut Rechtspopulisten seien die Eliten schuld an der „Kontamination des Volkskörpers“ durch Einflüsse von Außen.
Gemeinsamkeiten zwischen Populismus und Massenmedien
Populismus und Massenmedien seien laut Diehl besonders kompatibel, setzten auf ähnliche Strategien, um ihr Publikum zu erreichen. Daher erzielten politische Akteure, die besonders populistisch agieren, immer mehr Aufmerksamkeit als Akteure, die dies weniger tun.
So setzen sowohl Populismus als auch Massenmedien auf Komplexitätsreduktion bei gesellschaftlichen Problemen, die in der Folge im Populismus zu Kurzschlüssen im Umgang damit führten. Weitere Gemeinsamkeiten seien die Fokussierung auf das Außergewöhnliche, im Populismus etwa Tabubrüche und Skandale, eine verstärkte Emotionalisierung und Dramatisierung von Themen, eine klare Konfliktstruktur sowie archetypische Erzählungen (Im Populismus das bereits erwähnte Narrativ des „betrogenen Volkes“). Weitere Gemeinsamkeiten seien die Unmittelbarkeit und eine starke Personalisierung, beim Populismus verdeutlicht durch die Fokussierung auf die Führerperson.
Diese Parallelen treten laut Diehl insbesondere dann hervor, wenn Massenmedien kommerziell unter Druck geraten. Der Rechtspopulismus profitiere von dieser zunehmenden Boulevardisierung des Journalismus. Je stärker diese Entwicklung zunehme, desto schwieriger sei für Journalistinnen und Journalisten die Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Akteuren.
Techniken der rechtspopulistischen Kommunikation
Demokratische Debatten setzten einen respektvollen Umgang und den Austausch von Argumenten ohne persönliche Angriffe voraus. Ein Hauptproblem bei der Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten sei es laut Diehl, dass sie gängige Regeln des demokratischen Austausches nicht mehr beachteten. Die Politologin gab in Folge verschiedene Kommunikationstechniken von Rechtspopulisten wieder.
- Bei der ersten von Diehl genannten Technik werden Ketten von Äquivalenzen gebildet: Rechtspopulisten reihten dabei in ihrer Argumentation etwa zahlreiche gesellschaftliche Probleme aneinander, egal, ob diese in direktem Zusammenhang stünden, oder nicht. Als Schlussfolgerung und Lösung für die Probleme stehe dabei immer, dass das eigene Volk, vertreten durch die Führerfigur, die Macht übernehmen und die Eliten verdängen müsse. Durch die schiere Menge an benannten Problemen könnten journalistische Fragensteller dabei nirgendwo thematisch andocken. Zu realen Problemen gesellten sich in der populistischen Argumentation dabei häufig auch Falschbehauptungen.
- Rechtsopulisten würden häufig kalkulierte Ambivalenzen verwenden: Dabei gehe es darum, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, wobei rechtsradikale Botschaften geschickt versteckt würden. Als Beispiel nannte Diehl den Begriff Ethnopluralismus: Er klinge demokratisch, beziehe sich aber auf die Idee, dass Identitäten sich nicht vermischen sollen
- Bei der dritten Technik gehe es Rechtspopulisten um die Legitimierung der eigenen Position durch die vermeintliche Volksmeinung: Rechtspopulisten behaupten, sie seien die Stimme des Volkes. Dabei haften die Akteure nicht für Aussagen, es sei „schlichtweg die Meinung des Volkes“
- Populisten verstünden sich eigentlich als Verkünder der Wahrheit. Doch mehr und mehr finde die Argumentation mit alternativen Fakten als Strategie Einzug in ihre Kommunikationsweise. Alternative Fakten erzeugten eine andere Wahrheit, die nur auf der eigenen Perspektive beruhe und nicht mit Realität abgeglichen werden könne.
- Als Politainment versteht Diehl außerdem die Vermischung von Politischem mit Unterhaltung. Rechtspopulistische Akteure inszenierten sich dabei als fiktionale Figuren, es finde eine Grenzenverschiebung zwischen Realität und Unterhaltung statt. Als Beispiel führte Diehl etwa Donald Trump auf, der im Rahmen einer inszenierten Wrestling-Veranstaltung einen vermeintlichen Vertreter von CNN niedergeschlagen hatte. Dabei werde ein populistisches Narrativ in den Vordergrund gestellt, aber mit Entertainment vermischt. Durch Politainment entstehe eine Unklarheit darüber, ob eine Aktion witzig oder ernst gemeint sei.
So können Journalistinnen und Journalisten den Kommunikationstechniken begegnen
Der Journalismus stehe vermehrt vor dem Problem, dass Teile der Leserschaft keinen großen Wert mehr auf die Überprüfung von Fakten lege. Zwar erzeuge Investigativjournalismus noch immer großes Interesse bei gewissen Zeilgruppen, doch gerade in Interviewsituationen mit Populisten sei es vielen unklar, wie sie auf Gesprächspartner reagieren sollen, die sich nicht mehr an die bisherigen Regeln des Austausches halten. Diehl nannte in Folge einige Beispiele, wie man auf die Kommunikationstechniken von populistischen Akteuren reagieren könne:
- Bei Ketten von Äquivalenzen sei es wichtig, schnell zu unterbrechen und nach den inhaltlichen Verbindungen der aufgereihten Probleme zu fragen
- Bei kalkulierten Ambivalenzen müsse man die zwei Standards offenlegen, die Rechtspopulisten an ihre Aussagen anlegten
- Bei der Legitimierung durch Volksmeinung gehe es darum zu fragen, woran die Volksmeinung festgemacht werde und welche Quellen es für die Behauptung gebe