Forum Lokaljournalismus 2025
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Das Publikum im Wohnzimmer. Oder im Bus.

Nina Pater, Uwe Renners, Luisa Thomé und Markus Knall

Am Freitagvormittag gab es etwas zu feiern: Uwe Renners, stellvertretender Chefredakteur der Rheinpfalz, gab vor 25 Jahren sein erstes bpb-Seminar. Zur „Silberhochzeit“ hatte er sich drei hochkarätige Gäste eingeladen: Luisa Thomé von Zeit Online, Nina Pater vom Hessischen Rundfunk und Markus Knall von Ippen.Media. Alle drei hatten Best-Practice-Beispiele aus ihren Redaktionen für den direkten Leserkontakt mitgebracht.

(Bild v.l.n.r.: Nina Pater, Uwe Renners, Luisa Thomé und Markus Knall. Foto: Marcus Klose, drehscheibe)

Das Projekt „Plan D“: Was funktioniert in Deutschland nicht – und wie lässt es sich lösen?

Den Auftakt machte Luisa Thomé, Leiterin des Ressorts X bei Zeit Online. Sie stellte das Projekt Plan D vor, das sie mitentwickelt hatte. Die zentrale Frage dabei: Was funktioniert in Deutschland nicht – und wie lässt es sich lösen? Leserinnen und Leser waren aufgefordert, ihre Probleme zu beschreiben und Ideen einzusenden. „Es sind nicht immer die großen Fragen unserer Zeit, oft ist es auch nur ein kaputter Bordstein“, sagte Thomé. Inzwischen sind mehr als 10.000 Zusendungen eingegangen, aus denen ein öffentliches Online-Register entstanden ist. Aus diesem Leserkontakt entstehen neue Geschichten und Formate.

Besonders erfolgreich ist der Plan-D-Bustalk mit Jannis Carmesin und Alisa Schellenberg. Wer mitfährt, zahlt nicht, sondern spricht über Politik. Weitere Formate wie „3 gegen 1“, ein Wohnzimmerblog und eine Problemlösungskonferenz sind ebenfalls aus dem Projekt hervorgegangen. Trotz des Erfolgs glaubt Thomé, dass das Konzept lokal sogar noch besser funktionieren könnte: „Das Publikum von Zeit Online ist zu meta. Im Lokalen liegen die Probleme direkt vor der Haustür.“

Leserkontakt durch das Videoformat: „Was bewegt euch in Hessen?“

Auch Nina Pater vom Hessischen Rundfunk setzt auf Nähe zum Publikum. Die Programm-Managerin stellte in Chemnitz das Videoformat „Was bewegt euch Hessen?“ vor. Der dazu gezeigte Trailer berührte das Publikum: 39 Menschen aus ganz Hessen diskutieren darin miteinander – über Heimat, Ängste und Medienkritik. Man wolle wieder „mehr hinhören, was die Leute interessiert“, findet Pater. Aufgrund der brisanten Themen war im Nachhinein ein sorgfältiges Community-Management wichtig, erklärte die Programm-Managerin. In den Kommentarspalten fand ein reger Austausch statt. Der habe sich teilweise auch selbst reguliert, da Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich einschalteten und klarstellten, dass sie keine Schauspieler seien. Pater zeigte sich zufrieden: „Wir haben einen Raum geschaffen, sich mit Andersdenkenden zu unterhalten.“ Bislang wurde das Format einmal umgesetzt – weitere Ausgaben sind in Planung.

Weiter ging es mit Markus Knall, Chefredakteur und Direktor Content bei Ippen.Media. Auch hier macht man sich Gedanken, wie man den Leserkontakt wieder stärken kann. „Wir haben gespürt, dass wir den Leuten Lokaljournalismus wieder näherbringen müssen“, sagte Knall. Deshalb organisierte der Verlag am 15. Mai den „Tag des Lokaljournalismus“. An diesem Tag erschienen im Redaktionsnetzwerk 280 Artikel, online erreichte das Projekt rund 330.000 Aufrufe. In den rund 700.000 verkauften Print-Exemplaren des Medienhauses stand das Thema ebenfalls im Mittelpunkt. Die Beiträge sollten den Wert der lokalen Berichterstattung unterstreichen. Außerdem fanden zahlreiche Veranstaltungen vor Ort statt: Der Münchner Merkur veranstaltete gleich mehrere Tage der offenen Tür, bei der Gießener Allgemeinen gingen interessierte Leserinnen und Leser mit einem Redaktionsfrühstück in den Tag und bei der Offenbach-Post wurde auf einem Podium über die Zukunft des Lokaljournalismus diskutiert. „Wir waren mal die Gralshüter der Öffentlichkeit“, sagte Knall. „Jetzt müssen wir wieder sichtbar werden.“ Damit wolle man den Leserkontakt stärken, neue Zielgruppen erreichen und Reichweite erlangen.  

Finale Diskussion: Wie gelingt Leserkontakt in Lokalredaktionen?

In der abschließenden Diskussionsrunde ging es darum, inwiefern sich Erfolgsformate wie Plan D auf Lokalredaktionen übertragen lassen. „Keine Geschichte ist zu klein, wenn sie Menschen bewegt. Im Überregionalen entwickeln wir da manchmal eine Arroganz“, sagte Thomé. Knall appellierte an die Redaktionen, mutig zu sein und neue Formate auszuprobieren. Und er sprach offen über Hindernisse. „Die Kollegen wollen raus, aber oft gibt es nicht genug Ressourcen“, sagte er. Die Beispiele von Zeit Online, Hessischer Rundfunk und Ippen.Media zeigen: Wer sein Publikum erreichen will, muss es einladen. Ob im Bus, im Wohnzimmer oder beim Frühstück mit der Redaktion: Wo Menschen sich ernst genommen fühlen, kann neues Vertrauen entstehen.

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