Digitalisierung ist das Stichwort der Stunde, wenn es um eine moderne und international wettbewerbsfähige Wirtschaft geht. Aber: Hinkt Deutschland in puncto Digitalisierung anderen Staaten nicht hinterher? Wie nehmen Unternehmen hierzulande die technologischen Veränderungen in der Wirtschaft an? Ist Deutschland gar ein „digitales Entwicklungsland“? Ganz so weit geht Vera Demary freilich nicht. Dennoch ist es nicht das farbenfrohste Bild, das sie am Montagabend beim Modellseminar über lokale Wirtschaftsberichterstattung zeichnet.
„Digitalisierung interessiert Unternehmen nicht“, lautet eine ihrer Thesen. Demary leitet das Kompetenzfeld Strukturwandel und Wettbewerb beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln und hat in dieser Funktion mit ihrem Team 46 Studien zum Thema Digitalisierung unter die Lupe genommen. Dass Digitalisierung viele Unternehmen nicht interessiere, liege auch an den vielen Unsicherheiten, die in dem Bereich noch existierten. So würden etwa die Chancen der Digitalisierung oft nicht wahrgenommen – stattdessen äußerten viele Unternehmerinnen und Unternehmer eher Sorge vor den erwarteten hohen Kosten einer Umstellung. Ein Problem, das vielen zu schaffen mache, seien fehlende Standards im Bereich der Standardisierung. Dazu ein Beispiel aus der Logistik: Was wäre der Transport von Containern ohne genormte Größen? Richtig: extrem kompliziert. Wenn zwei Maschinen nicht die gleiche Sprache sprechen sei das also ein Problem das man angehen müsse.
Dabei sei es so wichtig, dass sich mehr Unternehmen den Veränderungen annehmen. Digitalisierung sei Demary zufolge nämlich der Treiber von vier großen Trends in der Wirtschaft: (1) Globalisierung, (2) Nachfragewandel durch sich ändernde Bedürfnisse der Konsumenten und den demografischen Wandel, (3) Vernetzung sowie (4) Innovationen und Wissen, da für viele neue Produkte viel mehr Wissen und Technologie vonnöten sei als noch vor wenigen Jahren.
„Junge Unternehmen sind Innovationstreiber“
Schwierig sei es in diesem Zusammenhang, dass zu der teilweise fehlenden Risikobereitschaft etablierter Unternehmen in Deutschland auch noch zurückgehende Gründerzahlen kämen. „Die gehen seit zehn Jahren zurück“, so Demary. Ein Problem: Denn gerade die jungen Unternehmen seien „Innovationstreiber“ in der Wirtschaft.
Und dann fällt das Stichwort „Angst“ – so sei etwa Risikobereitschaft nicht gerade eine deutsche Spezialität. „Die Investitionstätigkeit der deutschen Unternehmen ist im Moment relativ niedrig.“ Dabei wäre genau das notwendig: Anlagen modernisieren, den Bestand halten. „Man scheut das Risiko.“
Für die anwesenden Journalistinnen und Journalisten hatte Demary den Rat, Studien zur Wirtschaftslage genau zu untersuchen und stets kritisch zu hinterfragen. So könne man zum Beispiel aus einer Umfrage unter nur einer Handvoll von Unternehmen keine Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Unternehmen ziehen. Vielmehr sei die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass die in einer solchen Untersuchung publizierte Prognose nicht zutreffe, weil die Stichprobe zu klein sei. Im Zweifel also: nachfragen. Gute Studien, so Demary hätten sowieso stets Ansprechpartner angegeben.
Mehr Infos zum Thema Arbeit und Digitalisierung gibt es in dieser aktuellen Publikation der bpb.