Berichterstattung über Migration und Integration, ja klar, aber wie kann man es vermeiden Hetzern in die Hände zu spielen? Und wie lassen sich Prozesse verantwortungsvoll und aufmerksamkeitsgenerierend zugleich begleiten? Unter dem Motto „Haltung zeigen, Klickjagd ist nicht alles“ hat die erste Arbeitsgruppe unter der Leitung von Stefan Aigner Thesen für den Arbeitsalltag entwickelt, und unter anderem den Pressekodex und den Umgang mit Hatespeech diskutiert.
Neun Thesen der Arbeitsgruppe zum verantwortungs- und selbstbewussten Umgang mit reichweitenstarken Themen:
1. Ziffer 12 des Pressekodex zum Schutz vor Diskriminierungen stellt keinerlei Hilfestellung dar und ist nicht mehr zeitgemäß. Die Neufassung hat – wenn überhaupt zu etwas – zu einer Verschlimmbesserung geführt.
2. In Zeiten, wo Ermittlungsbehörden – die nicht an den Pressekodex gebunden sind – eigene Kanäle bespielen und in denen Rechtspopulisten, Neonazis und Wutbürger „Lügenpresse“-Propaganda betreiben, stellt sich allenfalls bei der Wahl der Schlagzeile noch die Frage, ob man Ethnie, Nationalität oder Flüchtlingseigenschaft von Straftätern nennen soll oder nicht.
3. In den Berichten selbst ist es wesentlich zielführender und sinnvoller, Abwägungen zu treffen, wie man die – in der Regel bekannten oder früher oder später in Kommentaren erwähnten – Fakten gewichtet und einordnet, um so Diskriminierung zu vermeiden. Es ist besser, offensiv und transparent alle bekannten Fakten zu nennen und dem gegenüberzustellen, was man (noch) nicht weiß.
4. Das Richtigstellen von und Erwidern auf diskriminierende und mit falschen Unterstellungen arbeitenden Kommentaren gehört in diesem Zusammenhang zwingend mit dazu.
5. Es ist keine Zensur, sondern „Hausrecht“, Kommentare, die eine sachliche und auf Fakten basierende Diskussion verhindern, die diskriminieren und hetzen, zu löschen. Auch das Löschen von Kommentaren und ggf. die Sperrung von Nutzern, die sich nicht an eine Netiquette halten, wird offen kommuniziert und begründet.
6. Je nach der Bedeutung vor Ort ist es wichtig und sinnvoll, die Aktivitäten von Rechtspopulisten und/ oder Neonazis zu beobachten und ggf. darüber berichten.
7. Eine ausschließliche Berichterstattung über tatsächliche oder vermeintlich skandalösen Äußerungen von Rechtspopulisten und/ oder Neonazis kann auch in deren Sinne sein oder diesen eine (gewollte) Opferrolle ermöglichen.
8. Mindestens flankiert werden sollten solche Meldungen durch eine faktenorientierte, unaufgeregte und mit Hintergründen angereicherte Berichterstattung.
9. Wer zu diesen Themen faktenorientiert und transparent berichtet, kann auch positioniert kommentieren und muss sich von (unvermeidlichen) „Lügenpresse“-Vorwürfen nicht beeindrucken lassen.