Nein, es ist nicht die Rubrik „BVB“, die bei den Dortmunder Nordstadtbloggern ganz oben auf der Seite steht – es sind die Rubriken „Rechtsextremismus“, „Roma“ und „Refugees Welcome“. Die Berichterstattung über demokratiefeindliche Umtriebe in der Stadt und über Humanität gehört zum Markenkern des Stadtportals, das mittlerweile fester Bestandteil der Dortmunder Medienlandschaft ist. Der Gründer des Portals, Alexander Völkel, setzt beim Berichten über Rechts auf eine klare Kante, weswegen auf seiner Kamera auch ein Sticker mit dem Schriftzug „Gutmensch“ klebt. Das erzählte er bei der Redaktionskonferenz zu lokaler Onlineberichterstattung der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Berlin.
Fakten gegen Behauptungen – immer wieder
Nehmen wir zum Beispiel das Thema Geflüchtete und Mieten. Um rechten Argumenten von Verdrängung zu begegnen, haben die Nordstadtblogger deutlich gemacht, dass in Dortmund zwar natürlich Geld für Geflüchtete und deren Unterbringung sowie Integrationsprojekte etc. ausgegeben wird – dass aber „kein Euro dafür woanders gestrichen“ werde, wie Völkel sagt. Eher umgekehrt: Dass in Dortmund wieder verstärkt sozialer Wohnungsbau betrieben werde, sei vor allem deshalb so, weil das Thema „dank der Flüchtlinge einmal wieder auf der Agenda“ sei. Und genau das müsse man dann eben auch schreiben, um allzu platten Argumenten von Rechts zumindest etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Rückzug auf die Fakten in Sachsen
Einen etwas anderen Weg geht die Lokalredaktion der Sächsischen Zeitung in Freital, wie Redakteur Tobias Winzer erzählt: „Wir haben versucht, uns auf die Sachebene zurückzuziehen und eine Beobachterrolle einzunehmen.“ Gerade in Orten wie Freital, wo rechtes Gedankengut besonders präsent ist, müssten Journalistinnen und Journalisten sensibel vorgehen – auch, um nicht die eigenen Leser zu vergraulen, wie man unter vorgehaltener Hand immer wieder zu hören ist. Winzer sieht Vorgehen positiv: „Wir haben einfach die Erfahrung gemacht, dass man mit Fakten dagegenhalten kann, um ein bisschen die Luft rauszunehmen.“ Mit einer Einschränkung: „Sobald gegen Menschen gehetzt wird, ist für uns eine Grenze überschritten.“
Berichte mit Ruhe, statt Live-Berichterstattung
Eine Ähnlichkeit gibt es hier zu den Nordstadtbloggern: Unaufgeregtheit. „Wir machen fast gar keine Live-Berichterstattung mehr“, sagt Alexander Völkel: „Wir liefern dann am Ende lieber eine ausführliche Geschichte und haben im Zweifel auch Mut zur Lücke“ – auch aus Gründen der Glaubwürdigkeit.
Ausführliche Berichterstattung fordert auch Fachjournalistin Andrea Röpke, die seit Jahren investigativ in allen möglichen rechten Milieus recherchiert – zuletzt im thüringischen Eichsfeld und in Nordhessen. „Mehr Analyse“ ist ihr Credo. Im Lokalen beobachtet die Expertin eine „mangelnde Aufklärung über die Strukturen“, über die berichtet werde.
„Wir werden jetzt überzogen mit Unterlassungsklagen“
(Andrea Röpke über die journalistische Arbeit in rechten Milieus)
Da dies teilweise an fehlendem Know-how liege, lässt Röpke seit einer Weile ihre Rechercheergebnisse regelmäßig den jeweiligen lokalen und regionalen Redaktionen zukommen. Von einer emotionaleren journalistischen Herangehensweise, nach der bpb-Moderatorin Sabrina Gaisbauer fragt, hält Röpke nicht viel. Vielleicht auch, weil die journalistische Recherche in rechten Milieus auch so schon beinhart sein kann. Hassmails sind üblich und auch Gewaltandrohungen keine Seltenheit. Wenn Völkel eine rechte Demo fotografiert, positioniert er sich grundsätzlich so, dass er sich zur Not schnell zurückziehen kann. Und Röpke erzählt davon, dass sie und Kollegen momentan geradezu „überzogen“ würden mit Unterlassungsklagen: „Ich weiß gar nicht, wie viele Verfahren ich zu bewältigen habe gerade.“ Gerade jüngere Kollegen schrecke das ab – laut Röpke ein „massives Problem“.
Manchmal klagt sie aber auch selber – zum Beispiel gegen die Polizei, wenn diese ihr mal wieder einen Platzverweis ausgesprochen hat. Auch Völkel hat schon mehrfach Anzeige eingereicht, auch gegen Rechte. „Wir sind nicht für jeden Spaß zu haben“, sagt er ruhig. Ein Kölner Journalist aus dem Publikum gibt den Tipp, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, wenn man keinen großen Verlag im Rücken hat. „Die haben uns in Köln zugeschüttet mit Anzeigen“, erzählt er über die Reaktionen auf die kritische Berichterstattung seines Portals „Meine Südstadt„.
Hier geht es zum bpb-Dossier „Rechtsextremismus und Presse“.