Redaktionskonferenz "Wir lieben Lokaljournalismus" 2017

Herausforderungen durch Social Media

Der Bundestagswahlkampf rückt immer näher und nicht wenige fragen sich, was von ihm zu erwarten sein wird. Droht eine dreckige Social-Media-Schlacht wie in den USA?

Martin Fuchs, Politikberater und Blogger, hat darauf eine klare Antwort: „Nein.“ Seiner Meinung nach gibt es drei wichtige Gründe, die dafür sprechen, dass es in Deutschland ein anderer Wahlkampf sein wird als in den USA:

1.: „Wir haben gar nicht das Geld in Deutschland, um solch einen Wahlkampf zu finanzieren. Trump hat allein in der letzten Wahlkampfwoche rund 20 Millionen Dollar für Werbung auf Facebook ausgegeben. Vieles, was Parteien hier gerne machen würden, können sie nicht, da das Budget nicht da ist“, erklärt Fuchs.

2.: „Es gibt keine wirklichen Experten von Big Data: Große Analysen von großen Datenmengen stecken in Deutschland noch in den Kinderschuhen. CDU und SPD kennen gerade mal von 30 Prozent ihrer Parteimitglieder die Mailadressen.“

3.: „Wir haben hier eine ganz andere Kultur des Datenschutzes, wir haben sehr harte Standards. Keine Partei, auch nicht die AfD, wird sich trauen, sich annähernd in den grauen Bereich des Datenschutzes zu begeben.“

Es gibt keinen Online-Wahlkampf

Nichtsdestotrotz werden sich die JournalistInnen auch in Deutschland während des Bundestagswahlkampfes verschiedenen Herausforderungen annehmen müssen. Dabei gelte es vor allem eines zu verstehen: „Es gibt keinen Online-Wahlkampf mehr“, betont der Politikberater. „Wir haben 84 Prozent Online-Nutzer, wovon 64 Prozent das Netz mobil nutzen. Die Unterscheidung zwischen online und offline ist also passé.“

Konkret formulierte Fuchs schließlich sieben Herausforderungen, die sich seiner Ansicht nach durch Social Media ergeben.

1. Hatespeech: Das Netz hat natürlich verstärkende Effekte, aber es hat nicht den Hass entstehen lassen. „Der Hass wird jetzt lediglich sichtbar, aber er war immer schon da.“ Fuchs‘ Rat an JournalistInnen: den hassenden Minderheiten nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken, sondern stattdessen die „Gutmenschen“ unterstützen. „Man kann zum Beispiel bestimmte Initiativen wie ‚Hass hilft‘ oder ‚Ich bin hier‘ vorstellen und featuren.“ Fuchs ist davon überzeugt, dass dies in ein paar Jahren dazu führt, das Hatespeech kein Thema mehr sein wird.

2. Die Macht der Plattformbetreiber: Es muss immer wieder thematisiert werden, welche Macht Plattformen wie Facebook haben und dass „Facebook natürlich ein Medienunternehmen ist“. Es sei also eine deutliche Konkurrenz auf dem Werbemarkt vorhanden.

3. Messengerisierung&Microtargeting: Kommunikation findet immer mehr in geschlossenen Räumen wie Whatsapp-Chats statt. „Das ist auch ein Stück weit gefährlich, weil wir zum Teil eben gar nicht verfolgen können, welche Nachrichten verbreitet und diskutiert werden.“ Erschwerend komme hinzu, dass es noch keine wirklichen Forschungen und Erkenntnisse hierzu gebe.

Zudem fehlt die Transparenz im Microtargeting – weshalb Fuchs zusammen mit Adrienne Fichter die Initiative #PolitikAds gegründet hat http://politikviernull.com/2017/06/25/crowdsourcing-aktion-lasst-uns-unter-politikads-politik-kampagnen-publik-machen/. Er sieht es auch als Aufgabe von JournalistInnen an, auf dieses Problem aufmerksam zu machen.

4. Algorithmen: „Das Problem sind nicht die Algorithmen selbst, sondern dass wir nicht wissen, wie sie eingestellt sind“. Fuchs verweist auf die Initiative Algorithmwatch, die versucht, genau dieses Problem anzugehen.

5. Fake News: „Es ist kein Thema vor dem wir Angst haben müssen, denn inzwischen ist ja ein Bewusstsein dafür und ein entsprechender Umgang damit vorhanden.“ Als gelungenes journalistisches Beispiel für den Umgang mit Fake News nennt Fuchs ein Interview auf Bento.de, wo direkt in ein Interview Fakt-Checks eingebaut wurden. „Etablieren Sie in Ihren Zeitungen eine tägliche oder wöchentliche Kolumne, in der Sie Fakten checken.“

6. Hacks und Leaks: Diese werde es nach Meinung Fuchs zwar geben, aber eine wirkliche Gefahr würden sie nicht darstellen. „Die Parteien sind vorbereitet. Sie wissen, dass da was kommt. Sie haben Krisenpläne und zum Beispiel auch von Macron gelernt.“ Fuchs ist davon überzeugt, dass Leaks in Zukunft zum normalen Geschäft gehören werden und sich der Umgang der JournalistInnen damit normalisieren wird.

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7. Social Bots: „Ich glaube, dass wir eine große Masse an Social Bots und Versuchen der Meinungsmanipulation beobachten werden.“ Allerdings sei hierüber in der letzten Zeit sehr viel diskutiert worden „und das war gut – trotz der Hysterie. Es hat für eine Sensibilisierung an den richtigen Stellen gesorgt. Politiker, Meinungsmacher, Journalisten – sie alle gehen jetzt immer öfter noch den zweiten Rechercheschritt und fragen sich: Kann es sein, dass dieses Thema jetzt tatsächlich trendet und so breit diskutiert wird?“

Im Interview mit der drehscheibe hat Martin Fuchs darüber hinaus verraten, wie sich Online- und Messaging-Dienste sinnvoll in die Wahlkampfberichterstattung einbinden lassen: http://www.drehscheibe.org/interview/die-diskussion-war-extrem-hysterisch.html

Zur Person: Martin Fuchs berät Regierungen, Parlamente, Parteien und Politiker in digitaler Kommunikation. Seit 2008 ist er Lehrbeauftragter für Public Affairs an der Universität Passau und Dozent für Social Media und Politik an weiteren Hochschulen. Zudem ist er Gründer der Social-Media-Analyse-Plattform Pluragraph.de und bloggt über Social Media in der Politik unter http://www.hamburger-wahlbeobachter.de/