Redaktionskonferenz "Wir lieben Lokaljournalismus" 2017

Lokaljournalismus als starke Marke

Wie kann man junge Leute für die Lokalzeitung begeistern? Wie kann der Lokaljournalismus wieder glaubwürdiger werden? Um diese Fragen ging es in der ersten Best Practice-Runde am zweiten Konferenztag. Auf dem Podium sassen Clemens Boisserée (Cross-Media-Redakteur der Rheinischen Post (Düsseldorf)), Anna Stommel (Online-Redakteurin beim Südkurier (Konstanz)), und die freie Reporterin und Autorin Jessica Schober. Moderiert wurde die Runde von Anna Ntemiris, Mitglied der Chefredaktion der Oberhessischen Presse (Marburg).

Was können Redakteure tun, um Millennials besser zu erreichen?

Anna Stommel vom Südkurier setzt auf die Millennials in der eigenen Redaktion, etwa auf die Volontäre. Die sollten stärker eingebunden werden.

Clemens Boisserée von der Rheinischen Post verwies auf die Bedeutung der Marke. „Wichtig ist, die jungen Leute erstmal an die Zeitung als Marke heranzuführen. Etwa über Veranstaltungen.“ Zugleich dürfe man unter dem Begriff Marke nicht nur die Zeitung an sich verstehen, sondern auch die Journalisten, die für das Zeitungshaus arbeiten.

Die freie Autorin Jessica Schober glaubt vor allem an Transparenz, wenn es darum geht, junge Menschen zu erreichen. Etwa an offene Redaktionskonferenzen, an denen auch Leser teilnehmen können. Diese Erfahrungen habe sie auch bei ihrer „Walz“ durch deutsche Lokalredaktionen gemacht. Schober war durch Deutschland gereist und hatte dabei für verschiedene Lokalzeitungen gearbeitet.

Wie können Journalisten schneller und unabhängiger arbeiten?

Boisserée glaubt, Journalisten sollten mit dem Schreiben nicht warten, bis sie in der Redaktion sind, sondern schon von unterwegs erste Texte absetzen. Aber bedeutet das nicht eine höhere Fehlerquote? „Das Schöne am Onlinejournalismus ist ja, dass sich Fehler schnell korrigieren lassen,“ sagte der Redakteur.

Flüchtlinge als Redakteure

Im Anschluss stellte Schober ihr Projekt „Newscomer“ vor, mit dem Flüchtlinge in Lokalredaktionen integriert werden sollen. Es habe sie genervt, immer nur über die Menschen zu lesen, sagt Schober, und selten von ihnen. Schober empfiehlt Lokalzeitungen beispielsweise den Twitter-Account tage- oder wochenweise an andere, auch an Flüchtlinge, zu übergeben – um mehr Varianz zu schaffen.

Stommel sagte, in Ihrem Haus habe man damit experimentiert. „Es war sehr aufwendig“. Sie sagt aber auch: „Wir müssen uns von der Idee verabschieden, mit einem Angebot alle Menschen zu erreichen.“ Es brauche vielmehr zielgerichtete Angebote.

Stommel berichtete im Anschluss vom Volontärsprojekt „käuflich“ ihrer Zeitung. Dabei setzte sie vor allem auf Transparenz. So stellten sich die Volontäre auf der Seite kurz selbst vor. „Die User sollten sehen: Die Autoren sind nicht viel älter als sie selbst.“

Wie sieht Lokaljournalismus in 30 Jahren aus?

Stommel glaubt, dass es die Zeitung auch in 30 Jahren noch geben wird, wenn auch mit geringerem Stellenwert in den Verlagen. Auch sie glaubt an technische Neuerungen wie Virtual Reailty-Brillen. Aber auch in der Arbeitsweise sieht sie Veränderungen: „Wir werden mehr aus dem Kosmos Redaktion ausbrechen, werden mehr unterwegs arbeiten. Das funktioniert ja auch heute schon.“

Auch Jessica Schober glaubt, dass im Lokaljournalismus kein Weg an virtuellen Neuerungen vorbeigehen wird. Persönlich setze sie zudem auf Kuratierdienste wie piqd.

Wie steht es um das Glaubwürdigkeitsproblem des Lokaljournalismus? Wie können Journalisten das Vertrauen zurückgewinnen?

Schober erzählte von ihren Erfahrungen auf der „Walz“ durch die Lokalredaktionen. „Wichtig ist, dass wir wieder einen journalistischen Ehrenkodex etablieren“, sagte sie. Journalisten sollten beispielsweise ehrlicher damit umgehen, wenn sie bestimmte Dinge nicht wissen. Und dieses Nicht-Wissen auch öffentlich machen.

Boissereée glaubt an Personalisierung. Der Journalist müsse mit seinem eigenen Hintergrund und seinen eigenen Vorstellungen transparent sein. Reporter etwa sollten erklären, warum und wie sie ein bestimmtes Thema recherchiert haben.

Auch Stommel glaubt an Transparenz. „Viele Leser kennen unsere Arbeitsprinzipien nicht, weil sie nicht in unserem Bereich arbeiten. Die muss man den Lesern näher bringen. Dann sind wir auch wieder glaubwürdiger.“