Der erste Tag unseres Modellseminars ist schon rum. Als ersten Programmpunkt sprach die Journalistin und Leiterin der Arbeitsgruppe drei, Grit Baldauf, mit Tobias Wolf, Journalist bei der Sächsischen Zeitung, über seine Erfahrungen mit AfD, Pegida & Co.
Den heißen Tanz mit Populisten, Politikern und Publikum beherrscht Tobias Wolf nicht nur sehr gut, er scheut ihn vor allem auch nicht. Besonders mit investigativen Recherchestücken über Pegida-Gründer Lutz Bachmann machte Wolf sich einen Namen. Dafür wurden er und seine Kollegen Alexander Schneider und Ulrich Wolf 2016 mit dem Wächter-Preis ausgezeichnet.
Wolf ist Dresdner. Als Pegida sich zu formen beginnt, wird er hellhörig. „Wir haben gemerkt, da entsteht gerade etwas Neues hier in unserer Stadt. Und wir wollten wissen: Was sind das für Leute?“, berichtet er im Gespräch mit Grit Baldauf, die als Redakteurin bei der Freien Presse ebenfalls in Sachsen arbeitet. Merkwürdig sei es ihm vorgekommen, dass keiner der Demonstrierenden mit der Presse sprechen wollte. „Damals hatte noch niemand kritisch darüber berichtet. Öffentlich als Lügenpresse haben sie uns erst später bezeichnet, aber diese Haltung uns gegenüber war von Anfang an da.“ Die Abneigung gegen Journalisten sollte sich noch verstärken und Wolf bald noch heftiger entgegenschlagen.
Zusammenstöße mit der rechten Szene sind Wolf nicht unbekannt. „Zum ersten Mal verprügelt wurde ich im Februar 2011“, erinnert er sich, „da bin ich einfach mit meiner Kamera zu denen hin – das war natürlich sehr naiv.“ Erst mehrere Polizisten konnten die Schlägerei am Rande einer Neonazi-Demonstration beenden. Doch Wolf lässt sich davon nicht abschrecken, im Gegenteil.
Als sich Pegida in seiner Heimatstadt formiert, recherchiert er mit zwei Kollegen mehrere Wochen lang Tag und Nacht. Ein Kollege findet heraus, dass der Gründer von Pegida, Lutz Bachmann, eine kriminelle Vergangenheit hat. „Wir hatten gehofft, Bachmann mit dem Stück enttarnen zu können. Wir wollten die Leser aufrütteln: Guckt euch an, wen ihr da vor euch habt!“ Daraufhin erhält er einige positive Reaktionen unter den Lesern, natürlich schweigen auch die Kritiker nicht. Doch der Protest der rechten Meinungsmacher gegen Wolf und seine Kollegen geht damit erst los. Auf einem AfD-Landesparteitag gipfelt der Konflikt schließlich: Als einer der jungen AfD-Politiker den Journalisten bemerkt, beauftragt er erfolgreich Wolfs Ausschluss. Der Vorwurf: Er habe mit seinen Artikeln Existenzen zerstört. Wolf wird von den so genannten „Ordnern“ hinaus gebracht.
Tobias Wolf hatte in dem besagten Artikel von einer Gefährder-Ansprache (ein warnendes Gespräch zwischen Polizisten und einem in der rechten Szene bekannten Wutbürger) berichtet. Dieser protestierte wöchentlich auf Demonstrationen gegen den Staat, lebte jedoch selbst als Vermessungsingenieur von staatlichen Aufträgen. „Ich habe diese Verbindung aufgezeigt, die zuvor offenbar niemandem aufgefallen war. Danach hat er eine Auftragssperre bekommen.“
Für den Rausschmiss hat sich der Generalsekretär der AfD später persönlich bei Wolf entschuldigt.
Auch heute geht Tobias Wolf noch auf die Montags-Demos in seiner Heimatstadt Dresden. „Man stumpft mit der Zeit ab“, erklärt er, und dennoch treibt ihn seine Leidenschaft für den Journalismus weiter an. „Das Jahr 2015 war geprägt von schlimmen Erfahrungen, ich wurde regelrecht depressiv. Da musste ich mich fragen: Will ich diesen Job noch machen? Schaffe ich das? Und will ich weiterhin in meiner Heimat leben?“ Letztlich lautete seine Antwort jedoch: „Ja, jetzt erst recht!“
Sein Beruf sei für ihn eine Berufung, erklärt Wolf. „Wenn man es wirklich will, dann geht es.“ In seiner Redaktion bei der Sächsischen Zeitung erhalte er viel Unterstützung für die Produktion rechercheintensiver Stücke. Einmal flog er sogar für eine Woche nach Teneriffa – auch hier auf der Spur des mittlerweile dort lebenden Bachmann.
Inzwischen habe er viel dazu gelernt. „Besser nicht mit dem eigenen Auto zur Demo kommen“, rät er. Auch eine Auskunftssperre über seine Adresse habe er eingerichtet.
Die Reaktion der Leser sei jedoch überwiegend positiv. Entgegen der Befürchtung, durch die intensive Berichterstattung über Pegida würden Abonnements wegbrechen, stiegen die Verkaufszahlen am Dienstag (dem Tag nach den Montagsdemonstrationen) sogar. Schön sei das nicht, wenn einem immer so viel Hass entgegen schlage, berichtet Wolf. Aber es lohne sich: „Wir müssen die jungen Leute erreichen, die noch keine festgefahrene Meinung haben. Einen Teil der Alten können wir schon nicht mehr erreichen, aber um die Jungen, die noch schwanken, müssen wir uns kümmern.“
Hartnäckig bleiben, sich nicht einschüchtern lassen und den nötigen Abstand bei (körperlichen) Anfeindungen nicht vergessen, das rät der Journalist den Teilnehmern des Modellseminars Kommunalpolitik. Diese spenden ihm anerkennenden Applaus.