Forum Lokaljournalismus 2024
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KI übernimmt. Aber nicht alles.

Jens Ostrowski (Ruhr Nachrichten)

Jens Ostrowski von den Ruhr Nachrichten (Foto: Marcus Klose, drehscheibe)

Am dritten Tag ging es auf dem Forum Lokaljournalismus schwerpunktmäßig um Künstliche Intelligenz. Ein Podium am Vormittag trug den Titel: „Die KI übernimmt – Erfahrungen und Best-Practice in den Redaktionen“. Redner waren Alessandro Alviani, Product Lead NLP bei Ippen-Media, Jonas Keck, Leiter der Arbeitsgruppe KI bei der Main-Post aus Würzburg, Jens Ostrowski, Chefredakteur der Ruhr Nachrichten, Dr. Jan Georg Plavec, Leitender Redakteur Datenjournalismus bei der Stuttgarter Zeitung, und Johannes Sommer von Retresco aus Berlin, einer Firma, die sich mit der automatisierten Analyse und Generierung von Content befasst. Die Moderation übernahm Uwe Renners, stellvertretender Chefredakteur Digital der Rheinpfalz.

Im Laufe des Gesprächs wurde deutlich, wie unterschiedlich Redaktionen mit KI umgehen. Alviani etwa erzählte, wie sein KI-Team bei Ippen mithilfe der Erstellung von Tools den Kollegen in den Redaktionen hilft, effizient zu werden und Zeit zu sparen. „Wir versuchen erst einmal, die Bedürfnisse der Redaktion zu verstehen“, sagte er. Dabei können Redakteure zunächst im KI-Team hospitieren, wo ihnen Grundlagen vermittelt werden. Die Tools werden dann auf die Bedürfnisse der Kollegen ausgerichtet. So kann man sich etwa mithilfe einer KI Vorschläge für Teaser oder Überschriften geben lassen, es gibt Brainstorming-Tools, Editing-Tools und andere. Auch den Leserinnen und Lesern werden KI-Angebote unterbreitet, etwa ein Chatbot.

(V.l.): Uwe Renners (Rheinpfalz), Johannes Sommer (Retresco), Jens Ostrowksi (Ruhr Nachrichten), Jan Georg Plavec (Stuttgarter Zeitung), Jonas Keck (Main-Post) und Alessandro Alviani (Ippen-Media)

Jonas Keck erzählte von der KI-Nutzung bei der Main-Post. So werde die Schnittstelle von ChatGPT für eine KI-Eigenentwicklung genutzt. Beispielsweise können damit Überschriften erstellt werden. Rein KI-generierte Texte werden redaktionell nicht benutzt. Prinzipiell kann jedes Redaktionsmitglied das KI-Tool verwenden. Es gehe nicht zuvorderst um Zeitersparnis, sondern darum, dass KI „für jede Kollegin und jeden Kollegen anwendbar wird“.

Plavec berichtete zunächst von der Crime Map, die die Stuttgarter vor ein paar Jahren erstellt haben. Dabei wurden Pressemitteilungen der Polizei datenjournalistisch übersetzt und auf eine Karte visualisiert – eine frühe Anwendung von KI. Derzeit arbeitet das Team an einem automatischen Printseiten-Layout. Auch Polizeimeldungen werden bearbeitet: Täglich werden von der Redaktion derzeit 10 bis 15 Polizeimeldungen auf die Webseite gehoben. Diese werden inzwischen automatisiert bearbeitet, weil man das Polizeideutsch vermeiden will. Außerdem soll beispielsweise eine KI-Serie mit KI-Bildern illustriert werden.

Die Ruhr Nachrichten haben für jede Redaktionen einen KI-Reporter. Das erzählte Jens Ostrowski. Diese KI-Reporter produzieren inzwischen für jede Lokalredaktionen täglich sechs bis zehn Stücke in Reporterlänge. Es gehe nicht darum, Pressemitteilungen umzuschreiben, sondern sie zu vertiefen und mit zusätzlichen Informationen zu bestücken. Wenn etwa über einen Einbruch berichtet werde, ergänze man den Bericht mithilfe von KI um Statistiken, Hintergründe oder Ratgeber-Tipps. Der KI-Assistent (Kira) verwendet dabei nur nur Informationen, die die KI-Reporter ihm zur Verfügung stellen.

Gespräch mit Jens Ostrowski:

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Retresco beschäftigt sich seit vielen Jahren mit KI. Sommer nannte drei Bereiche: Automatisierung von Recherche, Produktion von Inhalt und Distribution von Inhalt. Er wies auf ein Problem hin: Technisch seit inzwischen sehr viel möglich, aber die passenden Geschäftsmodelle existierten noch nicht. „Wir sehen noch nicht dieses eine Tool, das die Welt verändert“, sagte er. Viele Häuser würden viel ausprobieren, andere kauften Tools bei Retresco ein.

Manche bleiben skeptisch

Im Anschluss konnten sich Zuschauerinnen und Zuschauer mit Fragen und Anmerkungen melden. Dabei wurde deutlich, dass es durchaus eine gewisse Skepsis gegenüber KI im Lokalen gibt. Martin Schiepanski, Chefredakteur der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung, etwa fragte kritisch nach, wie das Thema KI in den Redaktionen besprochen werde. Gibt es einen offenen Umgang damit? Auch Heike Groll von der Magdeburger Volksstimme äußerte Bedenken: „Sollen wir unter Fotos künftig schreiben: Das Foto könne echt sein oder auch nicht?“ Plavec wollte diesem Misstrauen durchaus positive Aspekte abgewinnen: „Wir brauchen ein Misstrauen im Umgang mit KI“, meinte er. Ostrowski antwortete auf die Frage nach dem redaktionellen Umgang mit KI: „Wir diskutieren immer wieder darüber, aber wir haben angefangen.“

Alle Redner betonten, dass es wichtig sei, Redakteurinnen und Redakteure an KI heranzuführen. Es müsse nicht nur Teil der Ausbildung sein, sondern betreffe alle Beschäftigten.

Die Diskussion vermittelte ein gutes Bild davon, wie sich Redaktionen derzeit mit KI befassen, wie erste Anwendungsmöglichkeiten aussehen und wo die Probleme liegen. Es ist offensichtlich, dass an KI künftig kein Weg vorbeigeht. Dabei scheint es wichtig, die Nutzung und Anwendung der großen Möglichkeiten von KI einzubetten in einen redaktionellen Prozess, der alle Ebenen einbezieht – von der Ausbildung bis zum Redaktionsalltag.

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