Diskussionen zur Zukunft der Zeitung folgen immer einem ähnlichen Muster. Die Blogger und Onliner behaupten, die Zeitungen werden nicht überleben, wenn Sie sich nicht offensiv für Social Media öffnen. Die Vertreter der Zeitungen, die das bereits tun, finden das auch ganz wichtig, reden viel vom Experimentieren, von Reichweite, vom spielerischen Umgang und tun gern so, als wäre das doch alles ganz einfach und von interessierten Redakteuren nebenbei zu erledigen. Das wiederum stößt dem Alleinredakteur im Lokalen, der täglich zwei bis drei Seiten stemmen muss, übel auf. Er ist schon heilfroh, wenn er es jeden Tage wieder aufs Neue schafft, die Seiten zuzuknallen. Für Twitter, Google Wave oder gar Webvideos mit der Flip bleibt da keine Zeit.
Drum holt er zum argumentativen Gegenschlag aus und fragt die Onliner nach ihrem Geschäftsmodell. Spätestens das ist der Zeitpunkt, an dem in der Diskussion das erste Jeff-Jarvis-Zitat fällz. Dann ist man ganz schnell bei Google. Die Gemüter erregen sich. Schließlich ergreift der Moderator das Schlusswort und die Zuhörer verlassen den Saal „so klug als wie zuvor“.
So ähnlich lief auch die Runde mit der Kommunikationswissenschaftlerin Wiebke Möhring, dem Blogger Christian Jakubetz, dem Online-Chef der Märkischen Allgemeinen, Henrik Bortels und den auf dem Forum Lokaljournalismus mehrfach verwerteten Alexander Houben, CvD beim Trierischen Volksfreund. Das Thema lautete „Twitter & Co. – Kommunikation 2015 und die Rolle der Lokaljournalisten“ und es ging vor allem darum, was Zeitungen so alles im Netz machen, nicht machen und versäumt haben, rechtzeitig zu machen. Das ist schnell zusammengefasst. Der Trierische Volksfreund tummelt sich Houben zufolge in allen sozialen Netzwerken, twittert, bloggt, hostet und ist vor allem auf Reichweite aus. Die Märkische Allgemeine macht in dieser Richtung etwas weniger und probiert vieles aus. Die lokalen Webvideos etwa haben sich nach einem Trial vor zwei Jahren als Error erwiesen und werden nicht mehr hausgemacht.
Henrik Bortels sagt auf dem Podium, dass lokale Blogs wie Heddenheim.de durchaus zu einer starken Konkurrenz für die Lokalzeitungen werden könnten. Alexander Houben zufolge könnten sich hier allerdings auch Möglichkeiten zur Kooperation ergeben. Warum sollte die Zeitung nicht für solche Blogs in ihrem Verbreitungsgebiet sublokale Anzeigen vermarkten oder sie unter ihrer Marke laufen lassen? Der Trierische Volksfreund hoste derzeit bereits mehr als 800 Blogs. „Darunter sind auch unsere schärsften Kritiker“, sagt Houben. „Aber wenn sie schon auf uns schimpfen, so tun sie das auf unserer Seite und wir haben eine Auge drauf.“
Der Blogger Christian Jakubetz nennt das Amateufußballportal Passau als Beispiel dafür, wie Lokalzeitungen es versäumt hätten, Nischen zu besetzen und sich so selbst die Konkurrenz heranzüchteten. Jakubetz vergleicht den Unterschied zwischen alten und neuen Medien mit dem Unterschied zwischen Microsoft und Apple. Während Bill Gates immer die Nutzer genötigt hätte, sich seinen Produkten anzupassen, hätte Steve Jobs vom Nutzer her gedacht. Ebenso versuchten die alten Medien, die Nutzer an Formen zu fesseln, wohingegen diese in Zeiten der Medienexplosion souverän zwischen den Formen wechseln. Das Abo-Modell der Zeitung sei anachronistisch. Außerdem wies der Medienblogger auf einen Umstand hin, der auf der Hand liegt, in den Verlagen aber fast immer vergessen wird: Allen Synergien zum Trotz, wer immer mehr Kanäle beliefern will, kann das nicht mit immer weniger Leuten tun.