Forum Lokaljournalismus 2022

Mut zum Datenjournalismus – auch im Lokalen

Prof. Dr. Annika Sehl (Foto: Marcus Klose, drehscheibe)

Journalismusforscherin Prof. Dr. Annika Sehl präsentierte am letzten Tag des Forums ihre Ergebnisse zum Thema Datenjournalismus im Lokalen. Ihre wichtigste These: Auch kleine Redaktionen können datenjournalistische Projekte gut umsetzen.

Datenjournalismus bietet auch für lokale und regionale Redaktionen viele Möglichkeiten. Mit dieser Botschaft startete das Forum Lokaljournalismus 2022 in den letzten Tagungstag. Prof. Dr. Annika Sehl vom Institut der Journalistik an Universität der Bundeswehr in München zeigte in ihrem Vortrag über die Chancen des Digitaljournalismus eindrücklich, dass auch kleine Redaktionen datenjournalistische Projekte umsetzen können. Wichtig sei es, zu verstehen, dass Datenjournalismus mehr ist, als Daten hübsch aufzubereiten.

Sehl hatte in einer Studie Lokalredaktionen dazu befragt, wie dort Datenjournalismus betrieben wird. Dort erhofft man sich davon viel: Vor allem in Redaktionen, denen Leserinnen und Leser verloren gehen, können datenjournalistische Projekte eine Möglichkeit sein, neue Geschäftsmodelle zu finden. Zudem bieten datenbasierte Geschichten oft einen großen Mehrwert für die Leserinnen und Leser. Viele Geschichten ließen sich laut Sehl auch mit kleinem Aufwand gut umsetzen. Dazu nannte sie zum Beispiel den „Feinstaubmonitor“ der Stuttgarter Zeitung oder eine Visualisierung der Ruhr Nachrichten, in welchen Vierteln in Dortmund viele Zugezogene leben.

Datenjournalismus passt auch in die kleinste Redaktion

Sehls wohl wichtigste Botschaft: Egal, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, egal, wie groß die Redaktion, für Datenjournalismus ist immer Platz. Datenjournalismus ist skalierbar und kann an die spezifischen Bedingungen eines lokalen oder regionalen Mediums angepasst werden. Sich als Redaktion im Bereich Datenjournalismus kompetent aufzustellen, wird in Zukunft immer wichtiger werden. Wir alle generieren und sammeln pausenlos Daten, ob beim Online-Shopping oder auf der Smart Watch. Wo in Lokalredaktionen Kenntnisse vorhanden sind, mit denen man aus diesen Daten Geschichten machen kann, sollten sie genutzt und auch weitergetragen werden.

Begrenzte Ressourcen

Kleine Redaktionen können also durchaus datenjournalistische Projekte wagen. Aber trotzdem ist klar: Die Ressourcen sind begrenzt. Wo größere Player wie überregionale Blätter ganze Redaktionen und Units mit Datenjournalismus beschäftigen, muss in lokalen und regionalen Redaktionen jeder alles ein bisschen können – dazu gehören dann auch technische Aufgaben wie das Codieren und Aufbereiten der Datensätze. Und nicht selten laufen datenjournalistische Recherchen auch mal ins Leere, weshalb der Zeitaufwand oft hoch ist: „Geht man auf eine Pressekonferenz, kann man sicher sein, dass man nachher eine Geschichte hat. Aber im Datenjournalismus hat man oft nur eine Hypothese und muss viel Zeit investieren, obwohl nicht jede Geschichte am Ende trägt.“ Daher brauche Datenjournalismus Zeit, er ist rechercheintensiv. Datenjournalistinnen und -journalisten müsse diese Zeit gewährt werden, um Daten zu sammeln, Geschichten darin zu finden und zum Leben zu erwecken – mit einem Mehrwert für Leser.

Daten im Lokalen sind schwer zu kriegen

Laut Sehl müssten datenjournalistische Aufbereitungen nicht immer kompliziert sein: „Die Idee ist oft wichtiger, als das was man dann zur Umsetzung braucht.“ Und trotzdem würden Redaktionen, die datenjournalistische Projekte umsetzen wollen, häufig durch fehlende Datengrundlagen ausgebremst.
Die Bundesämter verfügen zwar über eine Menge öffentlich zugänglicher Daten, diese helfen aber im Lokalen nur bedingt weiter, wie Sehls Ergebnisse aus den Interviews zeigen. In mittelgroßen Städten gebe es meist noch einigermaßen große Datenquellen, aber speziell in kleinen Kommunen sei es schwieriger, ausreichend große Datensätze zu erhalten. Und ein weiteres Problem sei vor allem, dass es bei den Datensätzen keine einheitlichen Standards gebe, wie die Daten erhoben werden. Redaktionen müssen diese Standards dann erst selbst schaffen, das heißt die Datensätze vereinheitlichen und säubern. Für viele Redaktionen sei das der Hauptaufwand.

Austauschen und zusammenarbeiten

Eine weitere Erkenntnis aus Sehls Studie ist, dass sich im Datenjournalismus Zusammenarbeit durchaus lohnen kann. In überregionalen Medien habe sich beispielsweise schon gezeigt, dass es nützlich ist, wenn sich Redaktionen beim Thema Datenjournalismus zusammentun. Redakteurinnen und Redakteure profitieren sehr davon, sich bei Problemen auszutauschen und einander ihre Kompetenzen zur Verfügung zu stellen. Lokale Medien können gut zusammen an Recherchen arbeiten und die Daten dann jeweils im eigenen Design aufbereiten. Natürlich spiele hier Konkurrenz eine Rolle, aber gerade wenn die Redaktionen nicht zu nah beieinander liegen, könnten mehrere Redaktionen von gemeinsamen Recherchen profitieren.

Hier geht es zu einem Videointerview, das die drehscheibe auf dem Forum mit Annika Sehl geführt hat.